Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung bei verbotenen Kraftfahrzeugrennen im öffentlichen Straßenverkehr
Leitsatz (amtlich)
1. Bei verbotenen Kraftfahrzeugrennen im öffentlichen Straßenverkehr kommt ein Haftungsausschluss nach den für gefährliche Sportarten entwickelten Grundsätzen jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Schädiger grob fahrlässig gehandelt hat oder haftpflichtversichert ist.
2. Die auf 5.000 EUR begrenzte Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 KfzPflVV steht dem nicht entgegen. Sie genügt auch nicht, um die Annahme eines konkludent vereinbarten Haftungsverzichts zu begründen.
Normenkette
StVG § 7 Abs. 1; StVG § 18 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1; StVO § 29 Abs. 1; VVG § 115 Abs. 1; PflVG § 1; KfzPflVV § 5 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 09.05.2011; Aktenzeichen 3 O 421/09 D) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Konstanz vom 9.5.2011 - 3 O 421/09 D - dahin abgeändert, dass sich die unter Ziff. 1 des Tenors zuerkannte Hauptforderung um 124,98 EUR auf 17.962,61 EUR ermäßigt. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers wird ebenfalls zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsrechtszugs werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am 30.3.2007 bei einem spontan verabredeten Beschleunigungsrennen auf der B 33 zwischen ... und ... ereignete. Dabei fuhren der Kläger mit seinem zu Rennzwecken umgebauten VW Golf auf der linken und der Beklagte Ziff. 1 mit dem bei der Beklagten Ziff. 3 haftpflichtversicherten Porsche Carrera seines Vaters, des Beklagten Ziff. 2, auf der rechten Spur der autobahnähnlich ausgebauten Bundesstraße zunächst mit rund 80 km/h nebeneinander her. Auf ein Handzeichen hin beschleunigten beide ihre Fahrzeuge, um zu ermitteln, welches den 'besseren Antritt' habe. Wie bei drei weiteren zuvor durchgeführten Rennen lag der VW Golf zunächst in Front. Nach der Abfahrt Radolfzell schloss der Porsche aufgrund seiner höheren Endgeschwindigkeit auf. Zugleich näherte er sich einem mit rund 116 km/h vor ihm auf der rechten Spur fahrenden Opel Astra. Die Bundesstraße verfügt in diesem Bereich nicht über einen Standstreifen; die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist auf 120 km/h begrenzt. Als sich der Porsche auf gleicher Höhe mit dem VW Golf befand und beide Fahrzeuge eine Geschwindigkeit von deutlich über 200 km/h erreicht hatten, wechselte der Beklagte Ziff. 1 auf die linke Spur, um den Opel Astra zu überholen. Dabei lenkte er den Porsche zwischen die beiden anderen Fahrzeuge und verringerte den Abstand zu dem VW Golf auf rund 30 cm. Der Kläger steuerte nach links, um eine Kollision zu vermeiden, und geriet mit den linken Reifen auf den Grünstreifen. Beim Versuch, auf die Fahrbahn zurückzulenken, verlor er dann die Kontrolle über sein Fahrzeug. Der VW Golf überschlug sich und prallte gegen die rechte Böschung, wobei der Kläger und sein Beifahrer, die beide nicht angegurtet waren, aus dem anschließend vollständig ausgebrannten Fahrzeug geschleudert wurden. Der Beifahrer wurde dabei so schwer verletzt, dass er noch am gleichen Abend starb. Der Kläger zog sich diverse Frakturen und Prellungen, einen Pneumothorax, eine Nierenkontusion sowie Schürf-, Riss- und Platzwunden zu. Sein Fahrzeug wurde irreparabel zerstört. Im Strafverfahren wurde er - ebenso wie der Beklagte Ziff. 1 - wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Mit der Klage hat der Kläger - unter Anrechnung einer Mithaftung von 25 % - Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 12.500 EUR sowie Ersatz materieller Schäden i.H.v. insgesamt 26.427,27 EUR verlangt. Das LG, auf dessen Urteil gem. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO Bezug genommen wird, hat dem Kläger 6.000 EUR Schmerzensgeld sowie materielle Schäden i.H.v. 11.712,64 EUR zugesprochen, wobei es das Mitverschulden des Klägers mit 40 % bewertet und den Verkehrswert des VW Golf - sachverständig beraten - auf 18.500 EUR geschätzt hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Kläger als auch die Beklagten Berufung eingelegt.
Der Kläger verfolgt die geltend gemachten Ansprüche im Umfang der Abweisung weiter. Er wendet sich zum einen gegen die dem Urteil zugrunde liegende Haftungsquote. Die beiderseitigen Geschwindigkeitsüberschreitungen wögen sich gegenseitig auf, so dass zu seinen Lasten lediglich die Betriebsgefahr zu berücksichtigen sei, während der Beklagte Ziff. 1 den Unfall durch sein halsbrecherisches Überholmanöver verschuldet habe. Aus dem gleichen Grund habe das LG auch bei der Bemessung des Schmerzensgelds nicht davon ausgehen dürfen, dass er den Unfall im Wesentlichen selbst verursacht habe. Zum anderen macht der Kläger geltend, ihm stehe nicht nur der Verkehrswert, sondern der individuelle Gebrauchs- oder Wiederherstellungswert des zerstörten Pkw...