Leitsatz (amtlich)

1. Bei Baurbeiten im öffentlichen Straßenraum ist neben der ausführenden Baufirma und der Bauherrin auch die Kommune verkehrssicherungspflichtig, die die betreffende Straße verwaltet und für sie die Straßenbaulast trägt, ohne dass sie sich auf das Verweisungsprivileg aus § 839 Abs. 1 S. 2 BGB berufen kann.

2. Eine persönliche Haftung der Bediensteten der Kommune, die Beamte im haftungsrechtlichen Sinne sind und die die als öffentlich-rechtliche Amtspflicht ausgestalteten Aufgaben der Verkehssicherung wahrnehmen, scheidet nach Art. 34 S. 1 GG aus.

3. Art und Ausmaß der aus Gründen der Verkehrssicherung gebotenen Maßnahmen werden nicht durch die Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA) sondern durch das den konkreten örtlichen Verhältnissen innenwohnende Gefahrenpotential bestimmt. Die Einhaltung der Vorgaben der RSA allein lässt deshalb nicht den Schluss zu, dass der Verkehrssicherungspflichtige die von den Verkehrsflächen ausgehenden Gefahren in geeigneter und zumutbarer Weise ausgeräumt hat.

 

Normenkette

BGB a.F. § 823 Abs. 1; BGB § 839 Abs. 1 S. 2, § 847; GG Art. 34 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Heidelberg (Urteil vom 18.07.2003; Aktenzeichen 2 O 104/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin und auf die Berufung der Beklagten zu 6) und 7) wird das Grund- und Teilurteil des LG Heidelberg v. 18.7.2003 - 2 O 104/02 - wie folgt abgeändert:

1. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung des materiellen Schadens (Klageantrag 1.b) einschließlich des Anspruchs auf Erstattung des auf den Haushaltsführungsschaden entfallenen Zinsschadens (Antrag 1.c) sowie der Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes (Antrag 2.) ist hinsichtlich der Beklagten zu 1) bis 5), die insoweit als Gesamtschuldner haften, dem Grunde nach unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin i.H.v. ½ berechtigt.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) bis 5) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von ½ den künftigen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfall v. 10.5.1999 in Höhe des Anwesens S.-Str. in H. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung der Klägerin und die Berufungen der Beklagten zu 1), 2) und 5) werden zurückgewiesen.

III. Von den Gerichtskosten des Berufungsrechtszugs tragen die Klägerin 9/14 und die Beklagten zu 1), 2), 3), 4) und 5) als Gesamtschuldner 5/14.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1), 2), 3), 4) und 5) im Berufungsrechtszug trägt die Klägerin jeweils die Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsrechtszug tragen die Beklagten zu 1), 2), 3), 4) und 5) als Gesamtschuldner 5/14. Im Übrigen tragen die Klägerin und die Beklagten zu 1), 2), 3), 4) und 5) ihre außergerichtlichen Kosten im Berufungsrechtszug selbst.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 6) und 7) in beiden Rechtszügen. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des ersten Rechtszugs dem landgerichtlichen Schlussurteil vorbehalten.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die die Vollstreckung betreibende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Klägerin, die am 10.5.1999 im Bereich des Anwesens S.-Str. in H. in eine Baugrube gestürzt ist, begehrt von den Beklagten mit der Behauptung, sie hätten die ihnen obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens, der ihr aufgrund der bei dem Sturz erlittenen Verletzungen entstanden ist. Das LG, auf dessen Grund- und Teilurteil hinsichtlich des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug und der dort getroffenen Feststellungen verwiesen wird, hat der Klage hinsichtlich der Beklagten zu 1) (Baufirma), 2) (Stadt), 5 (Bauleiter der Beklagten zu 1), 6) (Mitarbeiter der Beklagten zu 2) und 7) (Mitarbeiter der Beklagten zu 2) unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils der Klägerin von ½ dem Grunde nach stattgegeben, in diesem Umfang auch die Verpflichtung zum Ersatz künftiger materieller und immaterieller Schäden ausgesprochen und die Klage hinsichtlich der Beklagten zu 3) (Auftraggeber der Bauarbeiten) und 4) (verantwortlicher Mitarbeiter der Beklagten zu 3) abgewiesen.

Mit ihrer zulässigen Berufung wendet sich die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags im ersten Rechtszug gegen die Annahme eines Mitverschuldens und gegen die Verneinung der Haftung der Beklagten zu 3) und 4), die gegen die unzureichende Absicherung der Baugrube durch die Beklagte zu 1) hätten einschreiten müssen, und verfolgt ihr Begehren wie im ersten Rechtszug in vollem Umfang weiter. Die Beklagten zu 1), 2) ...

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