Verfahrensgang
LG Mannheim (Aktenzeichen 6 O 453/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 10.06.2021 - 6 O 453/20 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
- ohne Sachverhaltsdarstellung gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO -
Die zulässige Berufung ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage.
Soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat, ist die Entscheidung in Rechtskraft erwachsen, weil nur die Beklagte Berufung eingelegt hat. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehen dem Kläger gegen die Beklagte die zugesprochenen Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1. Das Landgericht (LGU 5 f.) ist der Auffassung, durch die Verwendung der in der Motorsteuerung des Fahrzeugs verbauten Fahrkurve habe die Beklagte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens arglistig über die Zulassungsfähigkeit des Fahrzeuges getäuscht und den Kläger vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt; auf die Frage, ob die Fahrkurvenerkennung Einfluss auf die Einhaltung der Abgasgrenzwerte habe, komme es für die Haftung nach § 826 BGB nicht an.
Das hält der berufungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Verwendung einer Fahrkurve kann allenfalls dann als sittenwidriges Verhalten zu qualifizieren sein, wenn sie zur (sicheren) Einhaltung der Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand verwendet wird (siehe hierzu nochmals weiter unten). Solches hat das Landgericht aber ausdrücklich offengelassen. Die Auffassung des Oberlandesgerichts Naumburg (Urteil vom 09.04.2021 - 8 U 68/20 -), auf die sich das Landgericht stützt, teilt der Senat nicht und ist durch die weitere Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg vom 17.12.2021 (- 8 U 8/21 -, juris Rn. 55) ohnehin überholt. Mangels Rechtswidrigkeitsbewusstsein der Beklagten darüber, eine unzulässige Fahrkurve zu verwenden, fehlt es bereits am objektiven Tatbestand des § 826 BGB.
2. Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 826 BGB nicht erfüllt. Der
gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch würde jedenfalls voraussetzen, dass der von ihr hergestellte und in Verkehr gebrachte Dieselmotor (EA288, 1.6 l TDI, 81 kW, NSK EU 6, EZ 19.11.2015) tatsächlich über die behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen verfügt und dieser Umstand (in Ansehung einer oder mehrerer Abschalteinrichtungen) als sittenwidrig zu qualifizieren und dem Kläger deshalb ein Schaden entstanden wäre. Das ist nicht der Fall.
a) Die tatsächliche Ausgestaltung des sogenannten Thermofensters, über welches das klägerische Fahrzeug unstreitig verfügt, führt nicht zu einer Haftung der Beklagten nach § 826 BGB. Zwischen den Parteien ist streitig, ob das Thermofenster so ausgestaltet ist, dass die Abgasreinigung außerhalb des Temperaturbereichs von 20 °C bis 30 °C (so der Kläger) oder von -24 °C bis +70 °C (so die Beklagte) sukzessive reduziert (so der Kläger) bzw. abgeschaltet (so die Beklagte) wird. Selbst wenn die Behauptung des Klägers zuträfe, hätte sein Klagevorbringen keine Aussicht auf Erfolg.
aa) Zwar ist im Streitfall davon auszugehen, dass die Beklagte als Herstellerin des Motors um die konkrete Ausgestaltung des Thermofensters von Anfang an wusste. Dabei kann zugunsten des Klägers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren ist (vgl. zu Art. 5 der Verordnung 715/2007/EG auch EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - C-693/18, Celex-Nr. 62018CJ0693). Hieraus allein kann aber noch kein als sittenwidrig zu qualifizierendes Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen abgeleitet werden.
bb) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu ha...