Verfahrensgang

LG Mannheim (Aktenzeichen 7 O 71/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 07.02.2020, Az. 7 O 71/19, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Der Verfügungskläger (fortan: Kläger) begehrt nach einer einseitig gebliebenen Erledigungserklärung die Feststellung, dass sich sein auf eine behauptete Urheberrechtsverletzung gestützter einstweiliger Verfügungsantrag gegen die Verfügungsbeklagten (fortan: Beklagte) erledigt hat.

Der Kläger ist selbstständig in der Beratung hinsichtlich Internet-Suchmaschinen-Optimierung (search engine optimization; SEO) und Online-Shops tätig, wobei er unter anderem auf das Content-Management-System WordPress zurückgreift. Hierbei handelt es sich um eines der am weitesten verbreiteten Systeme zum Betrieb von Webseiten, das unter der Open Source Lizenz GNU General Public License Version 2.0 (nachfolgend auch kurz "GPL" ohne Versionsangabe) lizensiert ist.

Auszugsweise lautet die GPL (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 29.07.2019, S. 5) in deutscher Übersetzung (vgl. http://www.gnu.de/documents/gpl-2.0.de.html):

"§ 4. Sie dürfen das Programm nicht vervielfältigen, verändern, weiter lizenzieren oder verbreiten, sofern es nicht durch diese Lizenz ausdrücklich gestattet ist. Jeder anderweitige Versuch der Vervielfältigung, Modifizierung, Weiterlizenzierung und Verbreitung ist nichtig und beendet automatisch Ihr Recht unter dieser Lizenz. Jedoch werden die Lizenzen Dritter, die von Ihnen Kopien oder Rechte unter dieser Lizenz erhalten haben, nicht beendet, solange diese die Lizenz voll anerkennen und befolgen."

Die GPL gewährt unstreitig im Mindestmaß jedermann das Recht, eine darunter lizenzierte Software einzusetzen, zu verändern und weiterzugeben, sofern die Veränderungen ihrerseits unter eine entsprechende Open-Source-Lizenz gestellt werden, und stellt dabei klar, dass der Genuss der kostenlosen Lizenz unter der auflösenden Bedingung steht, selbst Veränderungen in quelloffener Form weiterzugeben.

In einem Absatz der Ziff. 2 der GPL heißt es (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 13.08.2019, S. 4):

"Thus, it is not the intent of this section to claim rights or contest your rights to work written entirely by you; rather, the intent is to exercise the right to control the distribution of derivative or collective works based on the Program."

Aufbauend auf dem Softwaresystem WordPress können sogenannte Themes eingesetzt werden, bei denen es sich - technisch vereinfacht gesagt - um Baukästen bzw. Vorlagen handelt. Während die Software WordPress die wesentlichen Funktionen für die Erstellung und den Betrieb einer Homepage enthält, stellt ein Theme etwa ein Layout und allgemeinen Content wie beispielsweise Grafiken bereit, welches sodann noch um den konkreten Content - zum Beispiel die Daten und Angebote des Homepagebetreibers - ergänzt wird.

Die Parteien haben unterschiedliche Rechtsansichten darüber, ob es sich bei einem Theme für WordPress um eine abgeleitete Bearbeitung von WordPress oder um eine eigenständige Ergänzung handelt. Unstreitig liegen Themes jedoch als getrennter Programmcode vor.

Der Kläger vertreibt ein solches Theme unter der Bezeichnung Affiliseo kommerziell. Das Theme hatte der Kläger zunächst durch die Agentur ... nach seinen Vorstellungen programmieren und später durch den Entwickler ... weiterentwickeln und pflegen lassen. Sowohl von der Agentur als auch vom jetzigen Entwickler wurden dem Kläger die ausschließlichen Nutzungsrechte an der Software eingeräumt.

Das Affiliseo-Theme des Klägers enthält außerdem ein Skript, das es ermöglicht, innerhalb von WordPress dem Nutzer anzuzeigen, dass ein neues Update des Affiliseo-Themes verfügbar ist. Dieses Skript wurde von ... erstellt und als Open-Source-Software unter der GPL veröffentlicht. Mit E-Mail vom 22.06.2019 räumte ... dem Kläger zudem das Recht ein, das Skript auch rückwirkend nach den Grundsätzen der MIT-Lizenz zu verwenden. Die MIT-Lizenzbedingungen folgen anders als die GPL nicht dem Grundsatz, dass die Bearbeitung eines Werks wiederum unter dieselbe Lizenz wie das Ausgangswerk zu stellen ist (sog. Copyleft-Klausel). Die MIT-Lizenzbedingungen erlauben vielmehr eine uneingeschränkte Benutzung, Bearbeitung und Unterlizenzierung unter beliebiger anderer Lizenz.

Mit E-Mail vom 29.05.2019 wandte sich der Beklagte zu 2 im Namen der Beklagten zu 1 wie folgt an den Kläger (vgl. Anlage ASt 4):

"Sehr geehrter Herr S.,

mit etwas Erstaunen haben wir heute bei einem unserer Projekte feststellen müssen, daß Sie auch einer Teilverbreitung Ihres Wordpress-Themes explizit untersagen.

Ihnen ist die GPL ein Begriff? Speziell diese Seite von Wordpress hier:

[..]

Falls ja, frage ich mich, was dieser Hinweis in Ihrem Theme soll.

Falls nein, dürfen Sie sich gerne schon einmal darauf einstellen, daß wir auch Ihr Theme auf github publishen werden.

Mit der Bitte um Erklärung ...

... [...]"

Bei Github handelt es sich um eine Plattform, über deren S...

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