Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 22.06.2015; Aktenzeichen 12 O 61/14) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Freiburg im Breisgau vom 22.06.2015, Az. 12 O 61/14, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 des Urteils wie folgt neu gefasst wird:
(1) Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, für das Produkt "Cicalfate Wundpflegecreme" wie folgt zu werben:
(a) mit der Aussage:
"Die Nr. 1 in der Apotheke", wenn dies geschieht wie in der nachfolgenden Werbeanzeige;
und/oder
(b) mit der Aussage "heilungsfördernd" im Zusammenhang mit den Anwendungsgebieten "rissige Lippen" oder "Schnittwunden" oder "Schürfwunden" oder "wundem Po", wenn dies geschieht wie in der nachfolgenden Werbeanzeige:
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Freiburg im Breisgau ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger fordert vom Beklagten die Unterlassung einer Werbung für "Cicalfate Wundpflegecreme" (vgl. Anlage K 1). Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Das LG hat die Klage, soweit in der Berufung noch streitgegenständlich, abgewiesen. Die Werbung verstoße nicht gegen § 3a HWG, weil das beworbene Produkt kein Arzneimittel sei. Es handele sich nicht um ein Präsentationsarzneimittel. Hierfür komme es auf die Wahrnehmung eines Verbrauchers an. Verbraucher würden von der Werbung - die in einer Fachzeitschrift erschienen ist - aber gar nicht erreicht. Die Darreichung in einer Tube und unter der Bezeichnung "Wundpflegecreme" kennzeichne die Creme nicht als Arzneimittel; gleiches gelte für den aufgedruckten Text: "für empfindliche und irritierte Haut". Ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot liege nicht vor. Die Werbung wecke beim Leserkreis der Zeitschrift nicht den Eindruck, sie betreffe ein zugelassenes Arzneimittel.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren vollumfänglich weiter. Er macht geltend, das LG habe den Begriff des Arzneimittels verkannt. Die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel hänge weder von den subjektiven Absichten des Herstellers noch von den individuellen Verhältnissen und Vorkenntnissen der Werbeadressaten oder potentiellen Kunden ab. Maßgeblich sei vielmehr eine objektivgenerelle Betrachtung. Bei Ermittlung der objektiven Zweckbestimmung eines Produkts als Arzneimittel komme es auf die allgemeine Verkehrsauffassung und mithin auf die potentielle Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers an. Nach diesem Maßstab erweise sich die Creme der Beklagten im Gesamtzusammenhang der Werbung aus Anlage K 1 als Arzneimittel.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das LG hat den Unterlassungsantrag des Klägers (Ziff. 1.1.) zurecht zurückgewiesen. Die beanstandete Werbung verstößt weder gegen § 3a HWG noch verletzt sie - soweit sie nicht ohnehin in Teilen durch das landgerichtliche Urteil untersagt worden ist - die Irreführungsverbote aus § 3 HWG, § 27 LFGB oder § 5 UWG.
1. Das Verbot aus § 3a HWG ist nicht einschlägig, weil es sich bei der "Cicalfate Wundpflege" der Beklagten nicht um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel im Sinne dieser Vorschrift handelt.
a) § 3a Abs. 1 Satz 1 HWG verbietet die Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten. Die Vorschrift dient der Arzneimittelsicherheit und soll eine Irreführung über eine erfolgreiche zulassungsrechtliche Bewertung verhindern, ohne tatbestandlich eine Irreführung vorauszusetzen (vgl. Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 5. Aufl. 2016, § 3a Rn. 1). Der Begriff des Arzneimittels bestimmt sich gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG aus § 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind Arzneimittel u.a. Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind. Von Arzneimitteln zu unterscheiden sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 HWG "andere Mittel", insbesondere kosmetische Mittel i.S. des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LFGB). Nach § 2 Abs. 5 LFGB sind kosmetische Mittel Stoffe oder Gemische aus Stoffen, die ausschließlich oder überwiegend dazu bestimmt sind, äußerlich am Körper des Menschen oder in seiner Mundhöhle zur Reinigung, zum Schutz, zur Erhaltung des guten Zustandes, zur Parfümierung, zur Veränderung des Aussehens oder dazu ange...