Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Entstehen der Verfahrensgebühr
Leitsatz (amtlich)
Auch allein durch die Stellungnahme zu einem Antrag nach § 769 ZPO wird eine die Verfahrensgebühr auslösende Tätigkeit entfaltet, da hierin prozessbezogener Schriftverkehr zu sehen ist. Auf die Rechtshängigkeit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO kommt es insoweit nicht an.
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 04.01.2016; Aktenzeichen 5 O 81/15) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Mainz vom 4.1.2016 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an LG Mainz zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.611,93 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg. Der den Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 9.10.2015 zurückweisende Beschluss des LG vom 4.1.2016 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung unter inhaltlicher Prüfung des Kostenfestsetzungsantrags an das LG zurückverwiesen.
Die Kläger haben nach der Kostengrundentscheidung des OLG Koblenz im Beschluss vom 1.10.2015 (8 W 579/15) die der Beklagten durch die Einreichung des Schriftsatzes vom 16.4.2015 entstandenen Kosten zu tragen. Der Kostenerstattungsanspruch besteht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur, soweit der Beklagten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Kosten entstanden sind. Unter den in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO angesprochenen Kosten des "Rechtsstreits" sind bei einer Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO diejenigen Kosten zu verstehen, die im Falle einer Rücknahme der Klage nach deren Zustellung erstattungsfähig gewesen wären (BGH, NJW 2006, 775).
Die Festsetzung der mit dem Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 9.10.2015 angemeldeten Verfahrensgebühr nach Ziff. 3100 VV-RVG kann nicht mit dem vom LG angeführten Einwand abgelehnt werden, für die Stellungnahme zum Antrag der Kläger nach § 769 ZPO falle keine gesonderte Vergütung an, da diese gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 RVG zum Rechtszug gehöre. Diese Einordnung der vor der Zustellung der Klage erfolgten Stellungnahme zu dem Antrag nach § 769 ZPO als Tätigkeit, die mit dem Rechtszug oder dem Verfahren zusammenhängt und deshalb keine eigenen Gebühren entstehen lässt, ist zwar in der Sache zutreffend. Das LG hat aber die Prüfung des Anfalls einer Verfahrensgebühr gänzlich ausgeblendet. Die angemeldete Verfahrensgebühr nach Ziff. 3100 VV-RVG ist jedoch entstanden. Dem können die Kläger nicht entgegenhalten, eine Verfahrensgebühr sei mangels Zustellung der Klage nicht angefallen. Die Verfahrensgebühr entsteht gemäß Vorb. 3 Abs. 2 VV-RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Sie ist erstattungsfähig, sobald der Rechtsanwalt von einer Partei zum Prozessbevollmächtigten bestellt worden ist und eine unter die Verfahrensgebühr fallende Tätigkeit ausgeübt hat (BGH, NJW-RR 2010, 1697, 1699). Hierzu gehört u.a. der prozessbezogene Schriftverkehr mit den Parteien, Dritten und dem Gericht (vgl. Bischof, in: Bischof/Jungbauer/Bräuder/Klipstein/Klüsener/Uher, RVG, 7. Aufl. 2016, Vorb. 3 VV-RVG Rn. 25). Im Regelfall entsteht die Verfahrensgebühr mit der Entgegennahme der ersten Information nach Erteilung des Auftrags. Dies setzt - weder beim Kläger noch beim Beklagten - die Anhängigkeit und damit auch nicht die Rechtshängigkeit voraus (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 1697, 1699; s. auch KG, MDR 1988, 1067; Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, Ziff. 3100 VV-RVG Rn. 13). Die Frage einer wirksamen Zustellung der Klage spielt daher im Ergebnis keine Rolle. Durch die Stellungnahme zum Antrag der Kläger nach § 769 ZPO haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten auch eine die Verfahrensgebühr auslösende Tätigkeit entfaltet, da hierin prozessbezogener Schriftverkehr zu sehen ist. Mit der Einreichung dieses Schriftsatzes mit sachbezogenem Vortrag ist auch - wie aus Ziff. 3101 Nr. 1 VV-RVG i.V.m. Ziff. 3100 VV-RVG folgt - eine Verfahrensgebühr in Höhe von 1,3 und nicht nur 0,8 verdient (vgl. auch insoweit BGH, NJW-RR 2010, 1697, 1699). Soweit die Kläger gegen den Festsetzungsantrag Billigkeitsaspekte anführen, stehen diese der Entstehung der Verfahrensgebühr nicht entgegen, da es auf den Umfang der entfalteten Tätigkeit nicht ankommt.
Der Einwand, die Sache sei so einfach gelagert gewesen, dass es aus der Sicht der Beklagten keines Rechtsbeistands bedurft hätte, ist im Kostenfestsetzungsverfahren unerheblich (vgl. nur BGH, NJW 2008, 1087; BeckOK-ZPO/Jaspersen/Wache, Ed. 19, § 91 Rn. 164). Auch die Notwendigkeit der entfalteten Tätigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung kann nicht in Zweifel gezogen werden, zumal der Antrag der Kläger nach § 769 ZPO der Beklagten gerade mit Gelegenheit zur Stellungnahme überlassen wurde.
Fundstellen
JurBüro 2016, 413 |
MDR 2016, 1476 |
Rpfleger 2016, 610 |
AGS 2016, 390 |
NJW-Spezial 2016, 572 |
RVGreport 2016, 304 |
NJOZ 2016, 1542 |
NZFam... |