Leitsatz (amtlich)

Der nicht zum Scheidungstermin anreisende, am auswärtigen Wohnort des Antragsgegners ansässige Rechtsanwalt kann als Verkehrsanwalt, der den Termin wahrnehmende am Gerichtsort ansässige Rechtsanwalt als Hauptbevollmächtigter beigeordnet werden. Das entspricht nämlich der üblichen Maßgabe, dass der auswärtige Rechtsbeistand nur insoweit beigeordnet werden darf, dass die Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der beigeordnete Anwalt die Kanzlei nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts hat, nur bis zur Höhe der Vergütung eines Verkehrsanwalts am Wohnort des Verfahrenskostenhilfe begehrenden Antragstellers erstattungsfähig sind.

 

Verfahrensgang

AG Mainz (Beschluss vom 17.06.2015; Aktenzeichen 33 F 136/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird ihr - soweit die Beiordnung von Rechtsanwältin E. betroffen ist - unter Aufhebung des Beschlusses des AG - Familiengericht - Mainz vom 17.06.2015 - Rechtsanwältin L., M., als Hauptbevollmächtigte sowie Rechtsanwältin E. als Verkehrsanwältin beigeordnet.

 

Gründe

Die nach §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.

Soweit die Bevollmächtigte der Antragstellerin erst mit ihrem Rechtsmittel die nun tenorierte Bevollmächtigung beantragt hat - mit Schriftsatz vom 06.04.2016 hatte sie noch die Beiordnung von Rechtsanwältin L. als Terminsanwältin (nach Nr. 3401 VV RVG: 0,65 Gebühren) beantragt, ist das unschädlich.

Die Bevollmächtigte der Antragstellerin hat nämlich bereits mit Schriftsatz vom 21.07.2016, d.h. vor dem angefochtenen Beschluss erklärt, dass ihr Antrag anders - wie nun mit der Beschwerde ausdrücklich klargestellt - zu verstehen sei.

Das AG hat der Antragstellerin zu Unrecht die Beiordnung ihrer bisherigen Hauptbevollmächtigten als Verkehrsanwältin und die Beiordnung einer Hauptbevollmächtigten am Gerichtsort (in Mainz) versagt. Denn diese Beiordnungskonstellation wäre kostengünstiger als die für die aus K. nach Mainz reisende - bisherige - Hauptbevollmächtigte der Antragstellerin.

Wenn besondere Umstände es erfordern, kann dem Beteiligten gemäß § 78 Abs. 4 FamFG (§ 121 Abs. 4 ZPO) auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Verfahrensbevollmächtigten beigeordnet werden. Derartige besondere Umstände können z.B. bei einer weiten Entfernung zwischen dem Wohnort des Antragstellers und dem Sitz des Verfahrensgerichts vorliegen (Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, § 78 FamFG Rn. 5). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beteiligte grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an einem persönlichen Beratungsgespräch hat; dieses besteht auch bei einfach gelagerten Sachverhalten. Maßgeblich ist im Hinblick auf die durch Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatprinzip gebotene weitgehende Gleichbehandlung von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung ihres Rechtsschutzes, ob die Kosten für einen Verkehrsanwalt als notwendig i. S. d § 91 Abs. 1 ZPO anzuerkennen wären (BGH FamRZ 2004, 1362). Danach ist im Falle der Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts am Sitz des Gerichts auch die Zuziehung eines am Wohnort des auswärtigen Beteiligten ansässigen Verkehrsanwalts regelmäßig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig i. S. d § 91 Abs. 1 ZPO (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.01.2013 - 16 WF 22/13 -, Rn. 11, juris m.w.N.).

Bei einer Beauftragung im Rahmen eines Scheidungsverfahren, dessen Umfang und Schwierigkeit im Hinblick auf etwaige Folgesachen zu Beginn der Beauftragung meistens noch gar nicht feststeht, sind die besonderen Voraussetzungen, die bei größerer Entfernung einen Verkehrsanwalt erfordert, regelmäßig anzunehmen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.10.2005 - 5 WF 190/05 -, juris).

Auch in einer einfach gelagerten Scheidungs(verbund)sache ist das persönliche Beratungsgespräch mit einem Anwalt am Wohnsitz der Partei zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geboten. Besondere Umstände i.S. des § 121 Abs. 4 ZPO sind daher regelmäßig zu bejahen, wenn einer auswärts wohnenden Partei ein persönliches Beratungsgespräch wegen der Entfernung zur Kanzlei eines am Ort des Verfahrensgerichts ansässigen Anwalts nicht zumutbar ist und auch eine vermögende Partei die Mehrkosten eines Verkehrsanwalts aufbringen würde.

In diesem Fall kann anstelle der zusätzlichen Beiordnung eines Verkehrsanwalts (Variante 1) ein auswärtiger Anwalt (Variante 2) mit der Maßgabe beigeordnet werden, dass die Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der beigeordnete Anwalt die Kanzlei nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts hat, bis zur Höhe der Vergütung eines Verkehrsanwalts am Wohnort des Verfahrenskostenhilfe begehrenden Antragstellers, d.h. begrenzt auf die Kosten der Variante 1, erstattungsfähig sind (Senatsbeschluss vom 22.08.2016 - 11 WF 811/16).

Diese Deckelung aber, nämlich eine Verkehrsanwältin an ihrem Wohnort und eine nicht reisende Hauptbevollmächtigte am Gerichtsort, ist das, was die An...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge