Leitsatz (amtlich)

Zur Erstattungsfähigkeit der vorprozessualen Privatgutachterkosten einer Versicherungsgesellschaft bei Verdacht des Versicherungsbetruges.

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Aktenzeichen 1 O 238/01)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Mainz vom 16.10.2003 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Beschwerdewert beträgt 1.410,98 Euro.

 

Gründe

Der Kläger hat behauptet, sein BMW 850i sei bei einem Verkehrsunfall auf einem Parkplatz durch den rückwärts fahrenden Pkw. der Zweitbeklagten beschädigt worden. Zur Schadensregulierung legte der Kläger ein vom 5.2.2001 datierendes Sachverständigengutachten vor, das die Reparaturkosten auf knapp 14.000 DM beziffert.

Die Erstbeklagte, Haftpflichtversicherung der Zweitbeklagten, holte ihrerseits ein vom 10.3.2001 datierendes Sachverständigengutachten ein, das zu dem Ergebnis kommt, die Unfallschilderung stehe mit dem Schadensbild nicht in Einklang.

Mit der im Juni 2001 erhobenen Klage hat der Kläger 14.889,91 DM begehrt. Nachdem auch der gerichtliche Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen war, dass der Schaden mit der Unfallschilderung nicht zu vereinbaren sei, hat der Anspruchssteller seine Klage unter Verzicht auf den Klageanspruch zurückgenommen. Ihm sind die Kosten auferlegt worden (§ 269 Abs. 3 S. 2 ZPO).

Die Rechtspflegerin hat auch die Kosten des vorprozessual von der Erstbeklagten eingeholten Sachverständigengutachtens gegen den Kläger festgesetzt.

Mit seiner sofortigen Beschwerde rügt der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Bei den Kosten des Gutachtens handele es sich nicht um Prozessaufwand der Erstbeklagten. Auch seien die Kosten übersetzt.

Das zulässige Rechtsmittel ist i.E. erfolglos.

Die Rüge aus Art. 103 Abs. 1 GG ist begründet, weil die Rechtspflegerin verfrüht vor Ablauf der zuvor gesetzten Stellungnahmefrist entschieden hat. Ursächlich hierfür ist die erst am 7.10.2003 erfolgte Ausführung der gerichtlichen Verfügung vom 25.9.2003 (Bl. 170 Rückseite GA). Angesichts der bekannten Engpässe im Schreibdienst der meisten Gerichte hält der Senat es für sinnvoll, Fristen weiter zu erstrecken und auch nicht nach Zeiträumen zu bemessen, sondern für Stellungnahmen ein konkretes Datum zu bestimmen.

Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel ist jedoch geheilt, weil er nunmehr ausreichend Gelegenheit hatte, sich zu äußern.

Der Kläger vertritt im Ausgangspunkt auch zu Recht die Ansicht, dass eine Erstattung der Kosten vorprozessualer Privatgutachten nur ausnahmsweise in Betracht kommt (OLG Koblenz JurBüro 1989, 1701 f.; JurBüro 1991, 247; JurBüro 1994, 421 f.; JurBüro 1995, 36 f.; zfs 2002, 298).

Gutachten, die nach einer Schadensmeldung von einer Versicherung eingeholt werden, dienen in aller Regel nur der Beurteilung der eigenen Eintrittspflicht und sind damit für einen möglichen Rechtsstreit von allenfalls mittelbarer Bedeutung. Grundsätzlich hat eine Versicherung ihre Einstandspflicht in eigener Verantwortung zu prüfen und den dadurch entstehenden Aufwand selbst zu tragen.

Hier lag der Fall jedoch anders, weil die Erstbeklagte von Anfang an den später durch den gerichtlichen Sachverständigen bestätigten Verdacht eines unlauteren Zusammenwirkens zwischen dem Kläger und der Versicherungsnehmerin hatte. In derartigen Fällen muss der Versicherer, der ablehnt, in aller Regel mit einer Klage rechnen, da der „Geschädigte” annimmt, die Versicherung befinde sich in Beweisnot. Dies gilt umso mehr, wenn der geschilderte Unfallhergang scheinbar ganz eindeutig für ein Alleinverschulden des Versicherungsnehmers spricht.

In dieser Situation rechnete die Erstbeklagte mit einer Klage. Sie war daher gehalten, den später durch den gerichtlichen Sachverständigen bestätigten Manipulationsverdacht durch Einholung eines Privatgutachtens zu erhärten und damit zugleich die noch vorhandenen Beweise zu sichern. In einem derartigen Fall ist die Prozessbezogenheit der für das Gutachten verauslagten Kosten ausnahmsweise zu bejahen.

Die Beschwerde begegnet dem mit dem Einwand, der zeitliche Ablauf spreche gegen die Prozessbezogenheit. Denn der Auftrag für das Privatgutachten sei bereits elf Tage nach dem Unfall und damit lange vor Prozessbeginn erteilt worden.

Auch das ist nicht stichhaltig. Der Kläger verkennt, dass bereits ein von ihm selbst in Auftrag gegebenes Schadensgutachten vom 5.2.2001 vorlag und davon auszugehen war, dass er auf der Basis dieses Gutachtens abrechnen wollte (vgl. das vorprozessuale Anwaltsschreiben Bl. 17 GA). In dieser Situation war eine gerichtliche Auseinandersetzung absehbar. Hierfür durfte die Beklagte zur Sicherung ihrer Beweissituation im späteren Rechtsstreit ein Privatgutachten einholen. Der zeitliche Ablauf der Dinge steht dem nicht entgegen. Sähe man das anders, hätte ein ursprünglich zur alsbaldigen Klage entschlossener Versicherungsbetrüger es in der Hand, durch zwischenzeitliches Zuwarten dem Privatgutachten des Versicherers die Prozessbezogenheit ...

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