Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Sorgerechts bei Heirat nach vorherigem teilweisen Entzug
Leitsatz (redaktionell)
1. Haben die Eltern eines Kindes, für das der Mutter die ihr zunächst nach § 1626a Abs. 2 BGB allein zustehende elterliche Sorge in 1. Instanz teilweise entzogen wurde, zwischen den Instanzen geheiratet, so ist auch der Vater beschwerdeberechtigt.
2. Durch die Eheschließung erlangt der Vater die elterliche Sorge für ein vor der Eheschließung geborenes gemeinsames Kind nur in dem Umfang, in dem sie der Mutter zurzeit der Eheschließung zustand.
Normenkette
ZPO § 621a Abs. 1 Nr. 1; FGG § 20 Abs. 1; BGB § 1626a Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Mayen (Beschluss vom 13.09.2004; Aktenzeichen 8 F 313/04) |
Tenor
Die Beschwerden des Beschwerdeführer gegen den Beschluss des AG - FamG - vom 13.9.2004 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Beschwerdeführerin auferlegt.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das Kind D.M. wurde am 23.6.2003 von der Kindesmutter A.S. nichtehelich geboren. Am 7.7.2003 hat der Beschwerdeführer die Vaterschaft beim Standesamt ... anerkannt. Dem Kind wurde der Familienname des Kindesvaters erteilt. Eine Vaterschaftsanfechtungsklage des Vaters wurde durch Urteil des AG - FamG - vom 8.9.2004 - 8 F 702/03 - abgewiesen.
Die Kindesmutter hat außer D. 3 weitere Kinder zusammen mit einem Herrn B.S., nämlich S.S., geboren am 26.11.1984, M.S., geboren am 13.12.1987 und M.S., geboren am 12.2.1990. S. ist mittlerweile volljährig. Die elterliche Sorge über M. und M.S. wurde der Mutter jeweils auf Antrag des Kindesvaters durch Beschlüsse des AG vom 17.8.2001 - 8 F 355/01 und vom 3.7.2002 - 8 F 120/02 - entzogen und auf den Kindesvater allein übertragen.
Anlass für den jetzt hinsichtlich des Kindes D. gestellten Antrag des Stadtjugendamtes ... auf Entzug der elterlichen Sorge waren ständige Streitigkeiten zwischen den Kindeseltern sowie zwischen der Kindesmutter und ihrem Sohn S., ein Hin- und Herpendeln der Kindesmutter zwischen der Wohnung des Vaters in der K.-Straße und der auf der anderen Straßenseite gelegenen Wohnung ihrer Mutter und ihres Sohnes S. sowie die Unbewohnbarkeit der Wohnung in der K.-Straße.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 13.9.2004 wurde der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für D.M. entzogen und auf das Stadtjugendamt ... als Aufenthaltsbestimmungspfleger übertragen. Aufgrund dieses Beschlusses befindet sich das Kind seit dem 20.9.2004 bei den Pflegeeltern H.
Der angefochtene Beschluss wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter am 21.9.2004 zugestellt. Eine Zustellung an den Vater, der an dem erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt wurde, erfolgte nicht. Am 24.9.2004 haben die Kindeseltern geheiratet.
Die Beschwerde der Kindesmutter ist am 7.10.2004 beim OLG eingegangen. Durch Schriftsatz vom 27.10.2004 - beim OLG eingegangen am 28.10.2004 - hat der Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter angezeigt, dass er auch den Kindesvater vertrete und für diesen die elterliche Sorge beanspruche.
Der Senat hat zum Entwicklungsstand des Kindes ein amtsärztliches Gutachten eingeholt, aus dem sich ergibt, dass bei D. im Bereich der aktiven Sprache eine deutliche Entwicklungsverzögerung vorliegt mit einem Rückstand von derzeit 7 Monaten. In anderen Bereichen, abgesehen von der Grobmotorik, liegt eine Verzögerung der Entwicklung von ca. 4 Monaten vor.
Außerdem wurde seitens des vorbereitenden Einzelrichters die Wohnung der Eltern in der K.-Straße in ... in Augenschein genommen.
II. Die Beschwerden der Kindeseltern sind zulässig. Sie sind frist- und formgerecht eingelegt worden. Bezüglich des Kindesvaters ist eine Zustellung der angefochtenen Entscheidung nicht erfolgt, so dass auch insoweit die Beschwerde rechtzeitig eingelegt worden ist, §§ 621e Abs. 3, 517 2. Alt. ZPO.
Der Kindesvater ist auch nach den §§ 621a Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 20 Abs. 1 FGG zur Beschwerde berechtigt. Eine Rechtsverletzung zu seinen Lasten ergibt sich bereits daraus, dass er am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt wurde. Die Beteiligung wäre erforderlich gewesen, um ihm Gelegenheit zur Wahrnehmung seiner Rechte aus § 1680 Abs. 3 i.V.m. § 1680 Abs. 2 S. 2 BGB zu geben. Danach kann er, da der Mutter die elterliche Sorge gem. § 1626a Abs. 2 BGB allein zustand, diese für sich in Anspruch nehmen, wenn dies dem Wohl des Kindes dient.
Dagegen ergibt sich die Beschwerdeberechtigung des Vaters nicht aus einer Verletzung seines Sorgerechts. Sorgeberechtigt wurde vorliegend der Vater - da Sorgeerklärungen nicht abgegeben worden waren - erst mit der am 24.9.2004 stattgefundenen Heirat (§ 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB). Zu diesem Zeitpunkt war der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Kindesmutter bereits wirksam geworden (Zustellung der Entscheidung an den Verfahrensbevollmächtigten: 21.9.2004). Der Vater konnte daher die elterliche Sorge durch die Heirat nur noch in dem Umfang erwerben, wie sie der Kindesmutter zustand, also ohne das...