Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an das Entstehen einer Einigungsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Einigungsgebühr entsteht auch dann, wenn das Nachgeben ganz geringfügig ist. Ein Verzicht auf zuvor geforderte Zinsen und Ansprüche aus einer Schlussrechnung, die den eingeklagten Anspruch nur unbedeutend übersteigen, reicht aus. Dass die Einigung der Parteien nicht gerichtlich protokolliert wurde (§ 278 Abs. 6 ZPO), ist für Entstehung und Erstattung der Einigungsgebühr unerheblich.

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 1000; ZPO § 278 Abs. 6; GKG § 45 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Beschluss vom 17.10.2011; Aktenzeichen 4 O 343/10)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 11.11.2011 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Mainz vom 17.10.2011, zugestellt am 2.11.2011, in der Form der Nichtabhilfeentscheidung vom 12.3.2012 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 686 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Rechtspflegerin hat die Einigungsgebühr (Nr. 1003 RVG - VV) zu Recht berücksichtigt. Auf die zutreffenden Gründe der Nichtabhilfeentscheidung wie der Beschwerdeerwiderung kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden.

Nach Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 1000 RVG - VV entsteht die Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Sie entsteht nicht, wenn der Vertrag sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt. An einen Vertrag im Sinne der Kostenvorschrift sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Eine solche Vereinbarung kann auch formlos durch schlüssiges Verhalten getroffen werden. Der Senat hat deshalb bereits entschieden, dass auch im Rahmen von Klagerücknahme und Zustimmung zu dieser grundsätzlich eine Einigungsgebühr anfallen kann (OLG Koblenz v. 2.8.2006 - 14 W 459/06, OLGR 2007, 35). Fälle, bei denen eine Einigungsgebühr anfällt, sind etwa die, dass vereinbart wird, dass der Beklagte die Forderung bezahlt, die Kosten übernimmt und der Kläger im Gegenzug die Klage zurücknimmt (vgl. Enders, JurBüro 2005, 410). Erforderlich ist aber eine Einigung, die ein Mindestmaß gegenseitigen Nachgebens enthält (vgl. Enders, JurBüro 2005, 410; Schneider, MDR 2004, 423). Dies ist vorliegend ohne jeden Zweifel in der Vereinbarung zwischen den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 9.5.2011 (Bl. 156/157 GA) zu sehen. Dort hat die Klägerin sowohl auf die Zinsen aus dem Versäumnisurteil vom 29.11.2010 als auch auf die weiter gehende Forderung aus der Schluss- rechnung vom 25.6.2010 verzichtet. Zugleich hat die Beklagte den Einspruch gegen das Versäumnisurteil zurückgenommen. Hierin liegt ein gegenseitiges Nachgeben.

Es wurden nicht lediglich rein prozessual gestaltete Erklärungen abgegeben, ohne dass eine vertragliche Grundlage vorlag. Vielmehr liegt eine inhaltlich fassbare Übereinkunft der Prozess- parteien vor, die zur Einspruchsrücknahme geführt hat. Das ist mit bloßen Prozesserklärungen nicht zu vergleichen.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob die vom 10. Zivilsenat im Beschluss vom 5.12.2011 (10 W 686/11) über die Streitwertbeschwerde vertretene Auffassung zutrifft, dass eine Erhöhung des Streitwertes eine förmliche Protokollierung eines Vergleiches voraussetzt. Die Entscheidung ist zu § 45 Abs. 4 GKG ergangen und nicht zu Nrn. 1.000, 1003 RVG-VV. Für die Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 RVG-VV ist höchstrichterlich entschieden, dass es eines förmlich protokollierten Vergleiches nicht bedarf (vgl. BGH v. 10.10.2006, VersR 2007, 810 und BGH v. 13.4.2007 - II ZB 10/06, NJW 2007, 2187).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO. Der Beschwerdewert war in Höhe der beanstandeten Einigungsgebühr festzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2994846

JurBüro 2012, 469

MDR 2012, 876

AGS 2012, 557

HRA 2012, 20

RENOpraxis 2012, 203

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