Entscheidungsstichwort (Thema)
Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrundes nur durch den mandatsbearbeitenden Rechtsanwalt
Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Rechtsanwalt ein Schriftstück, durch das eine Frist gewahrt werden sollte, persönlich zur Postbeförderung an das Gericht gegeben, muss er im Wiedereinsetzungsverfahren lückenlos darlegen und glaubhaft machen, dass alle für den Zugang maßgeblichen Voraussetzungen erfüllt waren (hier: fehlende Angaben zur richtigen Adressierung und ausreichenden Frankierung).
2. Die Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungstatsachen kann bei mehreren in einer Kanzlei verbundenen Rechtsanwälten wirksam nur durch den Anwalt erfolgen, der den behaupteten Wiedereinsetzungsgrund aus eigener Anschauung kennt.
Normenkette
ZPO § 85 Abs. 2, §§ 233-234, 294, 520 Abs. 2, § 522 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 16.09.2015; Aktenzeichen 3 O 144/14) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin vom 25.11.2015, ihr wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Mainz vom 16.9.2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird abgelehnt.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Mainz vom 16.9.2015 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.774,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Verteidigung gegen - aus ihrer Sicht unberechtigt - durch die Beklagte gestellte Schadensersatzforderungen. Zudem verfolgt sie ein Feststellungsbegehren hinsichtlich des Nichtbestehens von Schadensersatzansprüchen der Beklagten im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Wohnmobils. Hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Das LG hat die auf Zahlung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.336,90 EUR, Feststellung des Nichtbestehens einer Schadensersatzforderung der Beklagten in Höhe von 16.680,00 EUR sowie auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache hinsichtlich des negativen Feststellungsantrags bezüglich einer weiteren Ersatzforderung (Umsatzsteuer) in Höhe von 23.950,00 EUR vollständig abgewiesen.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 22.9.2015 zugestellte Urteil wendet diese sich mit der am 20.10.2015 eingegangenen Berufung. Eine Begründung dieser ist bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 23.11.2015 nicht eingegangen.
Auf entsprechenden telefonischen Hinweis durch den Vorsitzenden des Senats beantragt die Klägerin mit Schriftsatz vom 25.11.2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags verweist sie darauf, die Berufungsbegründung sei am Abend des 16.11.2015 eigenhändig zur Post gegeben worden. Aus welchen Gründen eine Zustellung nicht erfolgt sei, sei nicht bekannt. Dieser Sachverhalt werde anwaltlich versichert, wobei der Schriftsatz für den nach Diktat ortsabwesenden Rechtsanwalt D. durch Rechtsanwältin R. unterzeichnet wurde. Eine persönliche anwaltliche Versicherung werde nachgereicht, sobald die Rückkehr aus dem Urlaub erfolgt sei. Dem Wiedereinsetzungsantrag beigefügt ist ein nicht unterzeichneter Ausdruck der Berufungsbegründung vom 16.11.2015. Insoweit wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 25.11.2015 Bezug genommen.
II. Der mit Schriftsatz vom 25.11.2015 rechtzeitig gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat in der Sache keinen Erfolg.
Es fehlt an der Glaubhaftmachung eines Sachverhalts, nach dem die Fristversäumung auf nicht von der Partei bzw. ihren Prozessbevollmächtigten zu vertretenden Umständen beruht. Infolge dessen ist die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
1. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist liegen nicht vor.
a) Nach Zustellung des Urteils des LG Mainz vom 16.9.2015 an die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22.9.2015 lief die Frist zur Begründung der Berufung am 23.11.2015 ab (§ 520 Abs. 2 S. 1 ZPO). Eine Begründung der am 20.10.2015 eingegangenen Berufung vom 16.10.2015 ist bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingegangen. Vielmehr wurde mit dem am 27.11.2015 eingegangenen Wiedereinsetzungsgesuch vom 25.11.2015 erstmals eine auf den 16.11.2015 datierende, aber nicht unterschriebene Berufungsbegründung vorgelegt.
b) Ungeachtet der fehlenden Unterzeichnung der vorgelegten Berufungsbegründung fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Sachverhalts, nach dem die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das nach § 85 Abs. 2 ZPO dem Verschulden der Partei gleichsteht, beruht.
aa) Zwar darf der Absender eines mit vollständiger und richtiger Anschrift versehenen und ausreichend frankierten Schriftstücks nach Einwurf in einen Postka...