Leitsatz (amtlich)
Nimmt eine 18-jährige auf dem Rücksitz eines Pkw an einer "Spritztour" teil, ohne sich anzuschnallen, wobei der Fahrer erheblich alkoholisiert ist und eine äußerst riskante und gefahrträchtige Fahrweise zeigt, setzt sie sich damit "sehenden Auges" einem erheblichen Unfall- und Verletzungsrisiko aus, so dass ihr im Falle eines nachfolgenden Unfalles, bei dem sie aus dem Fahrzeug herausgeschleudert und - nur dadurch - schwer verletzt wird, ein Mitverschulden in Höhe von 30 % anzulasten ist.
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Aktenzeichen 2 O 337/17) |
Tenor
I. Die Parteien werden auf Folgendes hingewiesen:
Der Senat hat die Sache eingehend beraten. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller für die Schadensbemessung auf der Grundlage des derzeitigen Sach- und Streitstandes maßgeblichen Gesichtspunkte erscheint der Sachverhalt hinreichend geklärt und insoweit einer abschließenden Regelung zugänglich, die den Interessen beider Parteien gerecht wird.
Der Senat kommt dabei aufgrund einer rechtlichen Überprüfung des Sachverhalts unter Berücksichtigung des Ergebnisses der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme zu einer von den landgerichtlichen Feststellungen abweichenden rechtlichen Bewertung und Gewichtung der jeweiligen Haftungsanteile.
Unter Einbeziehung sämtlicher Umstände, die sich kausal auf die Herbeiführung der unfallbedingt erlittenen körperlichen Verletzungen, deren Ausmaß und die hiermit einhergehenden Folgebeeinträchtigungen bei der Klägerin ausgewirkt haben, hält der Senat im Ergebnis eine Haftungsverteilung im Verhältnis von 30 % zu 70 % zu Lasten der Beklagten für sachgerecht. Die Rechtsprechung geht bei einem Verstoß des Verletzten gegen die Anschnallpflicht davon aus, dass bei Vorliegen eines "Regelsachverhalts" ein Mitverschulden in einer Größenordnung von 25 % bis 30 % in Ansatz zu bringen ist (OLG Düsseldorf 1 U 132/82, Urteil vom 07.02.1983, juris; OLG Karlsruhe 10 U 126/88, Urteil vom 24.02.1989, juris; mit zahlreichen weiteren Beispielen: Hentschel/König /Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage, § 21 a. StVO Rn. 29). Bei dem Eintritt besonders schwerer Verletzungen, die sich als Folge des Unterlassens der Anschnallpflicht darstellen, kann sich die Quote auch in einem Bereich von bis zu 50 % bewegen (BGH VI ZR 213/97, Urteil vom 30.09.1980, juris).
Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der zum Unfallzeitpunkt 18-jährigen Klägerin die Schutzwirkung, die von dem Anlegen des Sicherheitsgurts für die körperliche Unversehrtheit eines Fahrzeuginsassen ausgeht, bekannt war und sie sich dieser Erkenntnis bewusst verschlossen hat, obwohl die übrigen Fahrzeuginsassen, wie aus den Feststellungen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen deutlich wird, jeweils angeschnallt waren. Ob die Klägerin darüber hinaus die nicht unerhebliche Alkoholisierung des Fahrzeugführers K., die im Zeitpunkt der Blutentnahme - etwa drei Stunden nach dem Unfallereignis - noch bei 0,82 o/oo lag, bemerkt hat, vermag der Senat nicht mit Sicherheit festzustellen. Fest steht indes, dass die Klägerin dessen - von verschiedenen polizeilich vernommenen Zeugen bestätigte - Fahrweise bereits deutlich vor dem späteren Unfallereignis als äußerst riskant und gefahrträchtig hätte wahrnehmen müssen, so dass sie jedenfalls im Verlaufe der Fahrt zu der Einsicht hätte gelangen müssen, dass sich das Anlegen des Sicherheitsgurts als unverzichtbar darstellte, wenn sie nicht die naheliegendere und sicherere Alternative wählen wollte bzw. konnte, Herrn K. zu einem sofortigen Anhalten des Fahrzeugs aufzufordern, um dieses zu verlassen. Die Klägerin hat sich damit "sehenden Auges" einem erheblichen Unfall- und Verletzungsrisiko ausgesetzt. Dieser von der Klägerin zu vertretende Umstand, der - wie das Landgericht auf der Grundlage der gutachterlichen Feststellungen zutreffend ausgeführt hat - den Eintritt der streitgegenständlichen Verletzungen und deren Ausmaß entscheidend mitverursacht hat, lässt es gerechtfertigt erscheinen, dieses "gegen sich selbst gerichtete" grob fahrlässige Verhalten mit einem Mithaftungsanteil von 30 % zu sanktionieren. Der Urteilsausspruch hinsichtlich der der Klägerin unfallbedingt entstandenen materiellen Schäden wird daher an die veränderte Haftungsverteilung anzupassen sein.
Nach den vorstehenden Ausführungen erfährt mithin auch der in Ziffer 3. erfolgte Feststellungsausspruch eine Änderung dahingehend, dass festgestellt wird, dass die Beklagte (über ihr Anerkenntnis mit einer Quote von 2/3 hinaus) verpflichtet ist, der Klägerin mit einer Quote von 70 % alle weiteren immateriellen und materiellen Schäden zu ersetzen, die aus dem Verkehrsunfall vom xx.09.2013 auf der B xxx zwischen K. und Ka. als Insassin des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen xxx noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder künftig übergehen wird.
Hinsichtlich des ihr entstandenen immateriellen Schadens hat die Klägerin in verfahrensrechtlicher Hinsicht mit...