Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Aktenzeichen 2 O 339/21) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Bad Kreuznach vom 12.09.2022, Az. 2 O 339/21, wird zurückgewiesen.
Gründe
Die statthafte Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Bad Kreuznach vom 12. September 2022 ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die statthafte sofortige Beschwerde des Klägers ist gem. § 567 Abs. 2 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 252 ZPO zulässig. Sie ist insbesondere formgerecht innerhalb der Zwei-Wochen-Notfrist des § 569 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO eingelegt worden.
2. Die sofortige Beschwerde ist aber unbegründet.
Der Prüfungsmaßstab des Beschwerdegerichts ist zwar auf der Tatbestandsseite der Aussetzungsnorm umfassend (BeckOK ZPO/Jaspersen, 43. Ed. 01.12.2021, ZPO § 252 Rn. 7). Das Beschwerdegericht prüft uneingeschränkt, ob ein Aussetzungsgrund gegeben ist (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005 - II ZB 30/04 -, Rn. 6, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 20. April 2021 - I-4 W 17/21 -, Rn. 5, juris) und damit die tatbestandliche Voraussetzung für die Ausübung des Ermessens vorliegt (KG Berlin, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - 12 W 83/07 -, Rn. 7, juris). Auf der Rechtsfolgenseite hingegen verengt sich der Prüfungsmaßstab auf die Kontrolle von Ermessensfehlern (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005 - II ZB 30/04 -, Rn. 6, juris). Dem Beschwerdegericht ist es daher verwehrt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des dem Erstgericht eingeräumten Ermessens zu setzen (KG Berlin, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - 12 W 83/07 -, Rn. 6, juris).
a. Auf dieser Grundlage hat das Landgericht zu Recht bereits das Vorliegen eines Aussetzungsgrundes verneint.
Zum einen ist die europäische Rechtslage in Bezug auf den (fehlenden) Schutzgesetzcharakter der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (acte clair). Die unverbindlichen Erwägungen des Generalanwalts ... vom 02.06.2022 sind schon methodisch nicht überzeugend und vermögen daher an dieser Eindeutigkeit nichts zu ändern. Andererseits ist die Frage des Schutzgesetzcharakters der europäischen Zulassungsvorschriften vorliegend aber auch nicht entscheidungserheblich, da es selbst dann, wenn man einen solchen unterstellt, an den Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB fehlt.
Auch die vom Bundesgerichtshof in Folge des Schlussantrags aufgehobenen bzw. verschobenen Termine in den Verfahren VII ZR 437/21, VII ZR 478/21 und VIa ZR 335/21 geben schon deshalb für eine Aussetzung keinen Anlass, weil es sich um Verfahren handelt, die andere Motoren anderer Hersteller betreffen und die Sachverhalte daher bezogen auf die hier relevanten Fragen nicht vergleichbar sind.
b. Im Einzelnen
aa. Im Rahmen eines vom Landgericht Ravensburg in einem Dieselverfahren gegen einen anderen Automobilhersteller dem Europäischen Gerichtshof vorgelegten Verfahren (C-100/21) vertritt der Generalanwalt ... die Ansicht, Art. 18, 26, 46 der Richtlinie (EG) Nr. 2007/46 seien dahin auszulegen, dass sie insbesondere das Interesse eines Fahrzeugkäufers schützen, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gem. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge, in geänderter Fassung, ausgestattet ist. Die Richtlinie verpflichte daher die Mitgliedsstaaten vorzusehen, dass ein Erwerber eines Fahrzeugs einen Ersatzanspruch gegen den Fahrzeughersteller habe, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gem. Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 715/2007 ausgestattet ist. Es sei Sache der Mitgliedstaaten, die Regeln für die Art und Weise der Berechnung des Ersatzes des Schadens, der dem Erwerber entstanden ist, festzulegen, sofern dieser Ersatz in Anwendung des Effektivitätsgrundsatzes dem erlittenen Schaden angemessen ist.
bb. Aus dieser Rechtsansicht des Generalanwalts folgt nicht, dass es sich bei Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 selbst um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt.
Der Generalanwalt führt in Rn. 40, 41 seines Schlussantrags aus, dass die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 keine ausdrückliche Verbindung zwischen dem Kraftfahrzeughersteller und dem individuellen Erwerber eines Fahrzeugs zum Schutz von dessen Interessen herstelle und daher dessen Interessen nicht unmittelbar schützen solle.
cc. Wenn der Generalanwalt im Zuge seiner weiteren Begründung den individualschützenden Charakter der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 sodann aus der Richtlinie (EG) 2007/46 herleitet, die ihrerseits auch den Individualschutz der Fahrzeugerwerber im Blick habe, vermag diese Auffassung nicht zu überzeugen.
Denn würde man einer eindeutig nicht individualschützenden Norm wie dem Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 deshalb Schutzgesetzcharakter zusprechen, ...