Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, wann die Frist zur Anfechtung einer Erbschaftsannahme sowie die Verjährungsfrist zur Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen zu laufen beginnt, wenn den Pflichtteilsberechtigten, die einen eigenen Erbscheinsantrag gestellt haben, ein sie möglicherweise von der Erbfolge ausschließendes Testament bekannt wird, dessen Wirksamkeit und Auslegung aber in Streit stehen.
2. Die testamentarische Zuwendung eines Hausgrundstücks ist nicht als Alleinerbeneinsetzung auszulegen, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch über ein Schweizer Bankkonto mit ähnlichem Wert verfügt; dies gilt auch dann, wenn der Erblasser dieses Geld als "steuerlich verstrickt" bewertet und bei Bekanntwerden des Geldes erhebliche Steuernachzahlungen befürchtet.
3. Die "Kenntnis" eines gesetzlichen Erben von einem die Erbmasse aushöhlenden testamentarischen Vorausvermächtnis, die den Beginn der Ausschlagungsfrist in Lauf setzt, setzt ein zuverlässiges Erfahren der in Betracht kommenden Umstände voraus, aufgrund deren ein Handeln von dem Betroffenen erwartet werden kann.
4. Eine solche Kenntnis kann noch nicht angenommen werden, wenn das Nachlassgericht angekündigt hat, ein Sachverständigengutachten einzuholen zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Erstellung der letztwilligen Verfügung.
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Aktenzeichen 3 O 292/18) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30.12.2020, Az.: 3 O 292/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 14.12.2021.
Gründe
I. Die Parteien, Kinder der Erblasserin, streiten um den Nachlass der am 29.05.2013 verstorbenen G.. Die Kläger machen zunächst in erster Stufe einen Auskunftsanspruch als Pflichtteilsberechtigte gegen die Beklagte geltend.
Nachdem der Kläger zu 1. zunächst vor dem Amtsgericht - Nachlassgericht - Bad Sobernheim einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge beantragt hatte, welcher die Parteien als Erben zu je 1/5 ausweisen sollte, beantragte die Beklagte ihrerseits unter Vorlage eines handschriftlichen Testaments der Erblasserin vom 29.12.2010 einen Erbschein für sich als Alleinerbin. Der Kläger zu 1. ergänzte am 20.09.2013 seinen ursprünglichen Erbscheinsantrag vom 10.08.2013 um die Angabe, dass entgegen seiner vorherigen Annahme ein Testament der Erblasserin vorhanden sei, welches jedoch lediglich eine Teilungsanordnung oder Vermächtnisanordnung enthalte. Nachdem er von dem Erbscheinsantrag der Beklagten Kenntnis erhalten hatte, erklärte der Kläger zu 1. mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11.11.2013 gegenüber dem Amtsgericht Bad Sobernheim die Anfechtung des Testaments wegen Testierunfähigkeit der Erblasserin. Das Nachlassgericht erhob im folgenden Beweis zur Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin durch Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens. Durch Verfügung vom 05.09.2017 (Bl. 980 der beigezogenen Nachlassakte 7 VI 298/13 AG Bad Sobernheim) wies das Nachlassgericht die Beteiligten schließlich darauf hin, dass entgegen der aus dem Verfahrensablauf abzuleitenden Vermutung, dass es sich bei dem letzten Willen der Erblasserin um ein Testament und eine Alleinerbeneinsetzung der Beklagten handeln dürfte, vielmehr von einem Vorausvermächtnis oder einer Teilungsanordnung auszugehen sei. Daher komme nur die gesetzliche Erbfolge in Betracht. Es sei daher beabsichtigt, den Antrag der Beklagten auf Erbscheinserteilung zurückzuweisen und den Erbscheinsantrag wie von dem Kläger zu 1. beantragt aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen. Daraufhin fochten die Kläger durch Erklärung vom 29.09.2017 gegenüber dem Nachlassgericht die Annahme der Erbschaft an und schlugen die Erbschaft nach der Erblasserin aus. Das Nachlassgericht erteilte am 11.12.2017 der Beklagten einen Erbschein als alleinige Erbin.
Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien um die Frage, ob die Kläger aufgrund der am 29.09.2017 erklärten Ausschlagung und Anfechtung Pflichtteilsberechtigte geworden sind und daher die beantragte Auskunft von der Beklagten verlangen können. Die Beklagte ist der Auffassung, mit der Erklärung vom 29.09.2017 hätten die Kläger die gesetzlichen Anfechtungs- und Ausschlagungsfristen versäumt, da sie bereits durch die Übersendung des Testaments am 02.09.2013 Kenntnis von den Beschränkungen und Beschwerungen des Testaments erhalten hätten. Im Übrigen sei dem handschriftlichen Testament eine Einsetzung der Beklagten als Alleinerbin zu entnehmen, da das dort erwähnte Hausgrundstück den wese...