Tenor
Dem Vermieter steht die Kündigungsmöglichkeit des § 564 b Abs. 4 S. 1 BGB auch dann zu, wenn er beim Abschluß des zu kündigenden Mietvertrages eine der beiden Wohnungen noch nicht bewohnt hat.
Gründe
Die Beklagten haben am 12.6.1975 in dem Zweifamilienhaus des Klägers eine Wohnung gemietet. Zu diesem Zeitpunkt war die zweite Wohnung des Hauses an einen Dritten vermietet. Seit Oktober 1977 bewohnt der Kläger die Wohnung selbst.
Der Kläger hat das Mietverhältnis gemäß § 564 b Abs. 4 BGB gekündigt.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne sich auf den Kündigungsgrund des § 564 b Abs. 4 BGB nicht berufen, da er zur Zeit der Begründung des Mietverhältnisses nicht in dem Haus gewohnt habe.
Mit der hiergegen eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Räumungsbegehren weiter.
Die Berufungskammer des Landgerichts Mainz hat beschlossen, einen Rechtsentscheid zu der Frage herbeizuführen:
Steht dem Vermieter die Kündigungsmöglichkeit des § 564 b Abs. 4 S. 1 BGB nur dann zu, wenn er schon beim Abschluß des zu kündigenden Mietvertrages eine der beiden Wohnungen innegehalten hat?
Die Vorlage ist nach Artikel 3 des 3. Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 21.12.1967 in der Fassung vom 5.6.1980 zulässig.
Die vorgelegte Rechtsfrage ist von grundsätzlicher Bedeutung, da zu erwarten ist, daß sie auch künftig in einer Vielzahl von Fällen auftritt. Sie ist auch, soweit ersichtlich, bisher durch Rechtsentscheid noch nicht entschieden und für die Sachentscheidung im vorliegenden Fall erheblich.
Über die Rechtsfrage ist in der aus der Beschlußformel ersichtlichen Weise zu entscheiden.
Nach § 564 b Abs. 4 S. 1 BGB kann der Vermieter bei einem Mietverhältnis über eine Wohnung in einem von ihm selbst bewohnten Wohngebäude mit nicht mehr als 2 Wohnungen das Mietverhältnis kündigen, auch wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vorliegen. Der Wortlaut dieser Vorschrift rechtfertigt eine Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit dahingehend, daß für die Kündigung die Verhältnisse zur Zeit des Vertragsschlusses maßgebend sein sollen, nicht. Diese von Sternel (Mietrecht, 2. Aufl. IV, Randnote 158) vertretene Auffassung, ein einmal begründeter Bestandsschutz für den Mieter solle, durch den nach Abschluß des Mietvertrages erfolgten Einzug des Vermieters nicht berührt werden, läßt sich auch aus den Gesetzesmaterialien nicht herleiten.
Die Sonderregelung des § 564 b Abs. 4 S, 1 BGB, die zunächst im Regierungsentwurf nicht vorgesehen war, beruht auf der im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens angestellten Überlegung, bei offensichtlicher Zerrüttung des Mietverhältnisses erleichterte Kündigungsmöglichkeiten zuzulassen, wenn der Vermieter selbst in einem Wohngebäude mit nicht mehr als 2 Wohnungen wohnt. Der Grund für dieses Sonderkündigungsrecht ist darin zu sehen, daß gerade in derartigen Wohnhäusern das harmonische und störungsfreie Zusammenleben von weitaus größerer Bedeutung ist als in den Fällen, in denen der Vermieter entweder selbst nicht in dem Haus wohnt oder dort neben mehreren Mietparteien eine Wohnung inne hat. Gerade in einer kleinen Hausgemeinschaft vermögen z.B. persönliche, vom Verschulden oft unabhängige und in ihren Ursachen kaum bestimmbare Unwägbarkeiten das Zusammenleben viel stärker zu belasten als es in einer größeren Hausgemeinschaft möglich ist (vgl. Schmidt-Futterer-Blank, Wohnraumschutzgesetze zu § 564 b B 529, 530; Staudinger 12. Aufl. zu § 564 b Randnote 142). Im Hinblick auf diese das Zusammenleben störenden, in ihren Ursachen aber häufig nicht faßbaren oder klärbaren Gründe hat der Gesetzgeber von der Darlegung und dem Nachweis der Zerrüttungstatsachen abgesehen. Die erleichterte Kündigungsmöglichkeit ist von dem Gesetzgeber bewußt allein davon abhängig gemacht worden, daß der Vermieter in dem Haus wohnt. Ausgehend von diesem gesetzgeberischen Gedanken ist es für die Anwendung des § 564 b Abs. 4 S. 1 BGB unerheblich, ob der Vermieter schon bei Abschluß des Mietvertrages in dem Haus gewohnt hat oder dort erst später eine Wohnung bezogen hat. In beiden Fällen kann es wegen des engen Zusammenlebens der Parteien zu einer Zerrüttung des Mietverhältnisses zwischen Vermieter und Mieter kommen. Der Vermieter verdient daher den ihm vom Gesetzgeber eingeräumten gesteigerten Rechtsschutz auch dann, wenn er erst nach Abschluß des Mietvertrages die Wohnung bezogen hat.
Unterschriften
Dr. Anheier, Puth, Kann
Fundstellen