Leitsatz (amtlich)
1. Eine Anfechtung wegen Irrtums nach § 119 Abs. 1 BGB ist nicht möglich, wenn der Anfechtende formfrei einen Pflichtteilsverzicht (als Erlassvertrag nach dem Tod des Erblassers) erklärte in der Annahme, dieser sei nicht rechtsverbindlich, wobei seine eigentliche Motivation darin lag, durch diese Erklärung, bei der er davon ausging, dass der Pflichtteilsverpflichtete sie für rechtsverbindlich hielt, eine andere Zahlung des Pflichtteilsverpflichteten, die gleichfalls zwischen diesen beiden Parteien streitig war, zu bewirken.
2. Weder ein "krasses Missverhältnis" zwischen dem potentiellen Pflichtteil und einem im Gegenzug für den Verzicht angebotenen Betrag noch eine finanzielle Notlage des Pflichtteilsberechtigten vermögen als solche eine Sittenwidrigkeit des Pflichtteilsverzichts zu begründen.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 3 O 619/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 11. November 2020, Az.: 3 O 619/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 16.08.2021.
Gründe
Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung vollumfänglich abgewiesen.
Das Landgericht ist in seiner angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger wirksam auf sein mit der Klage geltend gemachtes Pflichtteilsrecht nach Frau A. B. verzichtet hat. Das Landgericht hat umfassend, außerordentlich gründlich und absolut nachvollziehbar begründet, weshalb es zu diesem Ergebnis gelangt ist. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche Begründung in dem angefochtenen Urteil. Der Senat schließt sich diesen, in jeder Hinsicht überzeugenden Ausführungen des Landgerichts vollumfänglich an. Der Senat möchte, in der gebotenen Kürze, nur noch auf Folgendes hinweisen, dies allerdings ohne jede Relativierung der zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung.
Der Kläger vertritt mit der Berufungsbegründung vom 26.02.2021 die Auffassung, er sei zur Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB (Anfechtung wegen Irrtums) berechtigt gewesen, da er darüber geirrt habe, dass seine Erklärung trotz vermeintlich fehlender Einhaltung der Formvorschrift überhaupt rechtsverbindlich sein könnte, mithin Rechtsfolgen überhaupt eintreten könnten. Nach der Überzeugung des Senats kann eine solche "Motivationslage" auf Klägerseite keinen berechtigten Anfechtungsgrund darstellen. Ein zur Anfechtung berechtigender Inhaltsirrtum ist dann gegeben, wenn das Rechtsgeschäft nicht die erstrebten, sondern davon wesentlich unterschiedliche Rechtsfolgen erzeugt (BGH in NJW 2016, 2954; Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl., § 119 Rdnr. 15). Nach den oben wiedergegebenen Ausführungen des Klägers strebte dieser mit seiner Erklärung überhaupt keine Rechtsfolge an, sondern gab seine Erklärung in der Erwartung ab, diese sei überhaupt nicht rechtsverbindlich. Die eigentliche Motivation des Klägers war es, durch diese Erklärung, bei der er erkennbar davon ausging, dass der ursprüngliche Beklagte sie für rechtsverbindlich hielt, die kurzfristige "Herausgabe" der 200.000,00 EUR zu bewirken. Dieses Verhalten des Klägers, dass auch nach der Überzeugung des Senats die Voraussetzungen des § 242 BGB (Handeln gegen Treu und Glauben) erfüllt, sieht der Senat in keiner Weise als schutzwürdig und billigenswert an. Dem Kläger steht daher kein Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 1 BGB zu.
Ebenso wenig steht dem Kläger ein Anfechtungsrecht gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung bzw. widerrechtlicher Drohung zu. Was die arglistige Täuschung angeht, steht in keiner Weise fest und wird auch von Klägerseite nicht ansatzweise dargetan, dass der Beklagte in irgendeiner Weise Kenntnis davon hatte, dass der Kläger von der Unwirksamkeit bzw. Nichtrechtsverbindlichkeit seiner eigenen Erklärung ausging. Ebenso wenig steht fest, dass der ursprüngliche Beklagte den entsprechenden "Irrtum" des Klägers hervorgerufen oder jedenfalls unterstützt hat. Den Vorwurf des arglistigen Handelns muss sich der Kläger vielmehr selbst gefallen lassen.
Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich der von dem Kläger nach wie vor beharrlich bemühten widerrechtlichen Drohung. Der Kläger sieht diese widerrechtliche Drohung (soweit erkennbar) in der von dem ehemaligen Beklagten "angedrohten Unterschlagung des Erbes der Tante zu seinem Nachteil". Nach der Überzeugung des Senats hat der Kläger aber bereits nicht belastbar dargelegt, dass er zum fraglichen Zeitpunkt überhaupt Erbe seiner Tante war. Der Kläger hat zwar ...