Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine einstweilige Verfügung zur Verhinderung der Eigentumsumschreibung bei dementiellem Syndrom aber unzureichenden Indizien für Geschäftsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Da Geschäftsfähigkeit die Regel, ihr Fehlen die Ausnahme ist, muss - von Evidenzfällen abgesehen - auch der an einem dementiellen Abbausyndrom Leidende den Nachweis führen, dass er sich beim Abschluss des beanstandeten Rechtsgeschäfts in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befand.
2. Ein die Eigentumsumschreibung im Grundbuch hindernder Verfügungsanspruch lässt sich auch in derartigen Fällen nicht auf die Erwägung stützen, dem drohenden erheblichen Schaden des angeblich Geschäftsunfähigen stehe ein nur geringer Nachteil des Vertragspartners gegenüber.
Normenkette
BGB §§ 104, 311b, 873, 925; BeurkG § 11 Abs. 1 S. 2, § 17; ZPO §§ 920, 935, 942
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 14.11.2014; Aktenzeichen 3 O 582/14) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Koblenz vom 14.11.2014 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Dieses Urteil und der hiesige Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar.
Gründe
Die Entscheidung ergeht gem. §§ 522 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO mit uneingeschränktem Vollstreckbarkeitsausspruch (Herget in Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 708 Rz. 8). Ihre sachlichen Grundlagen ergeben sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils und dem Senatsbeschluss vom 2.1.2015.
I. Dort hatte der Senat mitgeteilt:
"1. Gemäß einem notariellen Vertrag vom 5.9.2014 verkaufte die Klägerin den Beklagten das von ihr bewohnte Hausgrundstück zum Preis von 185.000 EUR. Gleichzeitig erklärte sie die Auflassung und bewilligte insoweit eine Vormerkung, die am 10.9.2014 Eingang ins Grundbuch fand. Auf dem Anwesen lasteten zahlreichen Grundpfandrechte; nach dem Vorbringen der Klägerin valutierten sie seinerzeit mit 195.000 EUR. Das Veräußerungsgeschäft war von dem Sohn der Klägerin initiiert worden. Seiner Ansicht nach war es aufgrund der angespannten finanziellen Situation seiner Mutter geboten. Im Anschluss an den Notartermin suchte die Klägerin die Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten auf, mit der sie bereits zuvor in Kontakt gestanden hatte, und äußerte Missmut über die Situation.
Zwei Tage zuvor war unter Vermittlung der Prozessbevollmächtigten durch den örtlichen Pflegestützpunkt die Einrichtung einer Betreuung für die Klägerin angeregt worden, weil diese mit ihren Angelegenheiten überfordert sei. Dem wurde durch amtsgerichtlichen Beschluss vom 23.9.2014 entsprochen, nachdem die Kreisverwaltung in Auswertung einer Begutachtung vom 5.9.2014 amtsärztlich mitgeteilt hatte, dass sie die Klägerin für dement erachte.
Angesichts dessen machte die Klägerin die Rechtsungültigkeit des Grundstücksveräußerungsvertrags geltend und beantragte gem. § 942 Abs. 1 ZPO den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das hatte zum Ziel, den Beklagten zu verbieten, die Umschreibung des Grundstückseigentums auf ihre Person zu betreiben; darüber hinaus sollte die Eintragung eines Widerspruchs gegen die - bereits vermerkte - Auflassungsvormerkung erwirkt werden. Dem Begehren gab das AG statt.
Dieser Entscheidung ist in dem nachfolgenden Rechtfertigungsverfahren durch das LG unter Zurückweisung des Verlangens der Klägerin aufgehoben worden. In den Gründen dazu heißt es, dass aufgrund des persönlichen Eindrucks, den die Klägerin bei ihrer Anhörung hinterlassen habe, den Schilderungen vierer präsenter Zeugen und des sozialpädagogischen Begutachtungsprotokolls vom 5.9.2014 keine Gewissheit über eine Geschäftsunfähigkeit der Klägerin habe hergestellt werden können.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie erstrebt die Bestätigung der einstweiligen Verfügung. Ihrer Ansicht nach hat das LG die Verhältnisse falsch gewürdigt und ihrem Sicherungsinteresse nicht ausreichend Rechnung getragen.
2. Damit vermag die Klägerin nicht durchzudringen. Das angefochtene Urteil hat Bestand.
Der Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung setzt voraus, dass die am 5.9.2014 zwischen den Parteien getroffene notarielle Vereinbarung nichtig ist. Unter diesen Umständen hätte die für die Beklagten eingetragene Vormerkung in ihrer Akzessorietät keinen Anknüpfungspunkt, und die von ihnen angestrebte Grundbuchumschreibung würde das Eigentumsrecht der Klägerin verletzen, so dass eine entsprechender Abwehranspruch bestünde.
Die Tatsachengrundlagen dafür sind glaubhaft zu machen, § 920 Abs. 2 ZPO. Das verlangt zwar nicht die Herstellung von richterlicher Gewissheit; aber es ist erforderlich, die Überzeugung herbeizuführen, dass die von der Klägerin verfolgten Rechte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bestehen (BGHZ 156, 139; BGH NJW 1996, 1682). Das in der Berufungsbegründungsschrift vorgetragene Argument, die erstrebte einstweilige Verfügung müsse schon deshalb ergehen, weil ohne sie erheblicher Schaden drohe und umgekehrt der Erlass nur geringe Nachteile für die Beklagten mit s...