Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Kostenerstattungsanspruchs bei Einbeziehung nicht rechtshängiger Ansprüche in einen Prozessvergleich
Leitsatz (amtlich)
1. Sind in einem Prozessvergleich, der nicht rechtshängige Ansprüche einbezieht, die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben, umfasst die Verpflichtung, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, nicht die Verfahrensdifferenzgebühr nach RVG-VV 3101 Nr. 2.
2. Auch die Terminsgebühr ist nicht aus dem höheren Vergleichswert, sondern nur aus dem Wert der rechtshängigen Klageforderung zu erstatten.
Normenkette
RVG-VV Nrn. 3101, 3104; BGB §§ 133, 157, 779; BRAGO § 32
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 06.09.2006; Aktenzeichen 9 O 259/05) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 6.9.2006 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerde- verfahrens zu tragen.
3. Der Beschwerdewert beträgt 707,14 EUR.
Gründe
Die Klägerin hatte den Beklagten auf Zahlung von 12.372 EUR in Anspruch genommen. Später erhöhte sie die Klage. Nach Zahlung von 9.744 EUR erklärte sie den Rechtsstreit in diesem Umfang für erledigt. Gegenüber der Restforderung rechnete der Beklagte auf.
In der mündlichen Verhandlung des LG am 7.2.2006 schlossen die Parteien einen Vergleich, der sich auch auf nicht rechtshängige Ansprüche erstreckt. Nach der Kostenregelung des Vergleichs hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs zu tragen, die gegeneinander aufgehoben sind. Der Streitwert ist wie folgt festgesetzt: auf 23.000 EUR bis zum 6.2.2006, auf 8.000 EUR für die mündliche Verhandlung vom 7.2.2006, auf 25.000 EUR für den Vergleich. Darin sind nicht rechtshängige, aber ebenfalls verglichene Forderungen von 17.000 EUR enthalten.
Die Klägerin hat u.a. auch die Festsetzung einer Einigungsgebühr (3101 Nr. 2 RVG-VV) aus einem Wert von 17.000 EUR sowie einer Terminsgebühr (3104 RVG-VV) aus einem Wert von 25.000 EUR beantragt.
Durch den nunmehr angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin diese Anträge der Klägerin abgelehnt und die Terminsgebühr nur aus einem Wert von 8.000 EUR festgesetzt.
Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde ohne Erfolg.
Die Rechtspflegerin hat es zu Recht abgelehnt, die Verfahrensdifferenzgebühr (Nr. 3101 Ziff. 2 RVG-VV) in die zu erstattenden Kosten des Rechtsstreits einzubeziehen. Auch hinsichtlich der Terminsgebühr aus dem Streitwert der nicht rechtshängigen, aber mitverglichenen Ansprüche ist ihre Entscheidung nicht zu beanstanden.
Der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin richtet sich nach der Parteivereinbarung im Vergleich. Da die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben sind, schuldet der Beklagte nicht die Erstattung solcher Kosten, die dem Vergleich zuzuordnen sind. Die Vereinbarung der gegenseitigen Kostenaufhebung bedeutet nämlich, dass die durch den Abschluss des Vergleichs verursachten Kosten von jeder Partei selbst zu tragen sind. Was davon umfasst wird, ist durch Auslegung zu ermitteln. Nach Nr. 3101 Ziff. 2 RVG-VV beträgt die Verfahrensgebühr 0,8, soweit lediglich beantragt ist, eine Einigung der Parteien oder mit Dritten über nicht rechtshängige Ansprüche zu Protokoll zu nehmen oder festzustellen (§ 278 Abs. 6 ZPO) oder soweit lediglich Verhandlungen vor Gericht zur Einigung über solche Ansprüche geführt werden.
Unter Geltung der BRAGO war in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Prozessdifferenzgebühr gem. § 32 Abs. 2 BRAGO den Kosten des Vergleichs zuzurechnen ist (vgl. die Nachweise bei OLG Köln v. 20.12.2000 - 17 W 277/00, MDR 2001, 653m. ablehnender Anm. Norbert Schneider). Für die an ihre Stelle getretene Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 RVG-VV ist nach Auffassung des Senats nichts anderes maßgeblich. Dabei wird nicht verkannt, dass die von Norbert Schneider (OLG Köln v. 20.12.2000 - 17 W 277/00, MDR 2001, 653m. ablehnender Anm. Norbert Schneider) angestellten kostenrechtlichen Überlegungen durchaus zutreffen. Daraus lässt sich jedoch nichts für die allein maßgebliche Frage gewinnen, wie die Kostenvereinbarung der Parteien im Vergleich auszulegen ist (§§ 133, 157 BGB). Maßgeblich ist insoweit der objektivierte Empfängerhorizont einer durchschnittlichen Prozesspartei, der subtile kosten- und erstattungsrechtliche Erwägungen ganz sicher fremd sind. Eine derartige Partei versteht die hier getroffene Vereinbarung dahin, dass sämtliche Kosten, die dadurch ausgelöst wurden, dass man sich verglichen hat, gegeneinander aufgehoben sind. Sähe man das anders, wäre kaum zu erklären, warum in namhaften RVG - Kommentaren die Empfehlung ausgesprochen wird, durch sog. Mehrkostenformulierungen sicherzustellen, dass etwas Abweichendes gelten soll (vgl. Bischof in RVG-Kompaktkommentar, 2. Aufl., Nr. 3101 VV Rz. 82 ff.; Müller/Rabe in Gerold et. al., RVG-Kommentar, 17. Aufl., Rz. 171; m. Hinweis auf Enders, JurBüro 1998, 33 [34]).
Im vorliegenden Fall ist die Gebühr nach Nr. 3101 Ziff. 2 RVG-VV nur daraus entstand...