Leitsatz (amtlich)
1. Auch der Anspruch aus Gefährdungshaftung kann wegen Mitverschuldens des Geschädigten eingeschränkt sein. Zur Abwägung der Verursachungsbeiträge beim Sturz eines Joggers über einen nicht angeleinten Dackel.
2. Zu den Anforderungen an die Darlegung eines Haushaltsführungsschadens.
Normenkette
BGB §§ 249, 254, 833; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 25.11.2002; Aktenzeichen 10 O 174/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 25.11.2002 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des LG Koblenz wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG im Urteilsausspruch zu 3) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden zukünftigen materiellen Schaden i.H.v. 70 % zu ersetzen, der ihm aus dem Unfallereignis vom 1.4.1999, 18.15 Uhr in U., noch entstehen wird, soweit Ersatzansprüche nicht auf öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Leistungsträger übergehen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger beansprucht von der Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie Schadensersatz. Außerdem begehrt er die Feststellung der Verpflichtung, zukünftige materielle Schäden zu ersetzen. Der Kläger ist Chirurg. Am 1.4.1999 unternahm er ein Lauftraining zusammen mit dem Zeugen M.
Im Bereich des Friedhofs der Gemeinde U. kam ihnen der Zeuge M. mit zwei Dackeln entgegen. Die Tiere waren nicht angeleint. Halterin der Hunde ist die Beklagte.
Als sich die Läufer den Hunden angenähert hatten, lief plötzlich einer der Dackel vor den Läufern quer über den Weg. Dem Zeugen M. gelang es, über das Tier hinweg zu springen. Der ihm folgende Kläger konnte jedoch nicht mehr ausweichen und stürzte. Er zog sich Frakturen des linken Handkahnbeins und des Griffelfortsatzes der Speiche zu.
Der Kläger erachtet eine volle Haftung der beklagten Tierhalterin als angemessen.
Die Haftpflichtversicherung der Beklagten geht von einem hälftigen Mitverschulden aus. Sie hat auf das i.H.v. mindestens 15.000 DM vom Kläger beanspruchte Schmerzensgeld 7.500 DM gezahlt und hat auf den mit 15.311 DM bezifferten Verdienstausfall 8.500 DM entrichtet. Den i.H.v. 4.881,36 DM geltend gemachten Haushaltsführungsschaden hat die Versicherung nicht anerkannt.
Das LG ist von einer Haftungsquote von 70 % ausgegangen und hat entspr. ein weiteres Schmerzensgeld sowie weiteren Verdienstausfall zuerkannt. Außerdem hat es entspr. die Feststellung künftiger Ersatzpflicht ausgesprochen, und zwar ohne Beschränkung auf nicht übergegangene Ansprüche. Den Haushaltsführungsschaden erachtet das LG nicht als ausreichend dargelegt.
Der Kläger beansprucht im Berufungsverfahren Schmerzensgeld und Verdienstausfallschaden in voller Höhe und aus dem Haushaltsführungsschaden 374,37 Euro. Außerdem verfolgt er die Feststellung des vollen Ersatzes zukünftiger Schäden. Die Beklagte beantragt, im Feststellungsausspruch einen Vorbehalt aufzunehmen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten ist der Feststellungsausspruch durch einen Vorbehalt einzuschränken.
1. Die Haftung der Beklagten als Tierhalterin ergibt sich dem Grunde nach aus § 833 S. 1 BGB („Luxustier”). Sie muss für alle von ihr gehaltenen Tieren verursachten Schäden einstehen, die sich als Konkretisierung der Tiergefahr-Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens (vgl. Nachw. aus der Rspr. bei Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 833 Rz. 37) darstellen. Diese Einstandspflicht ist zwischen den Parteien unstreitig.
Unterschiedlich gesehen wird lediglich, ob den Kläger ein schuldhafter Mitverursachungsanteil trifft (§ 254 Abs. 1 BGB) und – wenn ja – wie dieser zu bemessen wäre.
Das LG bewertet die Mithaftung des Klägers mit 30 % (Urt. S. 5, 6). Dieser Einschätzung folgt der Senat.
a) § 254 BGB ist eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben und ermöglicht einen gerechten Schadensausgleich.
Die Bestimmung ist grundsätzlich ggü. allen Schadensersatzansprüchen anwendbar, so dass das mitwirkende Verschulden auch der Gefährdungshaftung nach § 833 S. 1 BGB entgegengesetzt werden kann (vgl. BGHZ 68, 281 [288]; Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 833 Rz. 5, 197 ff.).
Ein relevanter Beitrag des Verletzten zur Schadensentstehung liegt dann vor, wenn er eine Situation erhöhter Verletzungsgefahr herbeigeführt hat und diese Gefahr erkennen und vermeiden konnte. Im Rahmen der Abwägung ggü. der Gefahrverantwortung des Tierhalters bemisst sich das Gewicht des Verletztenbeitrages nach seinem objektiven Anteil an der Verletzung und nach dem Grad des Sorgfaltsverstoßes gegen das eigene Sicherheitsrisiko des Verletzten (vgl. Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 833 Rz. 198).
b) Das LG hat im Wesentlichen darauf abgestellt, für die Läufer seien die Hunde schon aus relativ weiter Entfernung zu sehen und es sei ihnen zumutbar gewesen, zum Beispiel einen Boge...