Leitsatz (amtlich)
1. Der Geschädigte kann bei bestehenden Vorschäden die mit dem späteren Schadensereignis kompatiblen Schäden grundsätzlich nur dann ersetzt verlangen, wenn nach dem Beweismaß des § 287 ZPO entsprechend den Umständen des Einzelfalles eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unfallkausalität besteht.
2. Liegt ein technisch und rechnerisch abgrenzbarer Zweitschaden vor, kann der Geschädigte diesen Zweitschaden ersetzt verlangen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, dass dieser bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden ist, also Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs beim Eintritt des späteren Schadensereignisses noch vorhanden waren.
3. Überlagern sich Vor- und Zweitschäden räumlich, ohne dass dies zu einer Potenzierung des Schadensbildes und der dadurch verursachten Schadensbehebungskosten führt, und bleibt offen, ob der Vorschaden vor Eintritt des Zweitschadens fachgerecht repariert worden ist, kann zu Lasten des Geschädigten der - feststehende und bezifferbare - Reparaturkostenaufwand für die Behebung des Vorschadens in voller Höhe anspruchsmindernd in Abzug gebracht werden.
4. Zweifel, ob eine ausstehende Reparatur des Vorschadens voll auf den Restwert durchgeschlagen hätte, gehen zu Lasten des Geschädigten.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 10 O 168/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.04.2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz, Az.: 10 O 168/19, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.380,14 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.06.2021 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 2/3, der Kläger zu 1/3.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten um materiellen Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Unfallereignis, das sich am 30.11.2018 in der R.-Straße in U. ereignet hat. Der Beklagte zu 1., der zum Unfallzeitpunkt Fahrer der bei der Beklagten zu 2. korrespondenz- und regulierungsversicherten Sattelzugmaschine war, fuhr mit seinem Fahrzeug auf den am rechten Fahrbahnrand geparkten Pkw des Klägers auf und beschädigte diesen nicht unerheblich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf die Feststellungen des Erstgerichts in dem Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Schadensgutachtens des Sachverständigen M. Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands geltend macht und Erstattung der Kosten für die Beauftragung des Gutachters mit der Schadensfeststellung sowie eine Unkostenpauschale und Ersatz der ihm durch die vorgerichtliche Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten entstandenen Rechtsanwaltskosten verlangt, durch (unechtes) Versäumnisurteil mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe mit Blick auf die früheren, an seinem Fahrzeug entstandenen Vorschäden, die Höhe des mit der Klage geltend gemachten Unfallschadens nicht schlüssig dargetan.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der dieser unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein Klagebegehren weiterverfolgt.
Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Koblenz vom 20.04.2020, Az.: 10 O 168/19,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 6.884,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 11.04.2019 zu zahlen unter Berücksichtigung einer Klagerücknahme von 390,00 EUR,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten aus einem Streitwert von 6.884,73 EUR = 650,34 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 11.04.2019 zu zahlen.
Wegen des weiteren Vorbringens zweiter Instanz wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat Beweis zu Art und Umfang von Vorschäden an dem streitgegenständlichen Fahrzeug durch Vernehmung der Zeugen C. und W. erhoben. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.06.2021 (Bl. d. 52 - 57 eA) Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat einen Teilerfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz des ihm anlässlich des Unfallereignisses vom 30.11.2018 entstandenen Schadens - für den die Beklagten unstreitig zu 100 % einzustehen haben - in der zuerkannten Höhe zu. Aufgrund der besonderen Umstände des hier zu beurteilenden Sachverhalts geht der Senat vorliegend unter Berücksichtigung der Aussagen der Zeugen C. und W. und der...