Leitsatz (amtlich)
1. Bildet sich auf einer Landstraße vor einer ampelgeregelten Baustelle ein kolonnenartiger Rückstau und überholt - in einer Phase, in welcher kein Gegenverkehr naht - ein Motorrad mit mäßiger Geschwindigkeit (ca. 15 km/h) diese Kolonne, trifft den Motorradfahrer auch unter Berücksichtigung der von seinem Motorrad ausgehenden Betriebsgefahr keine Mithaftung, wenn aus der Kolonne ohne jegliche Vorankündigung ein Pkw nach links ausschert, um in einen dort befindlichen Wirtschaftsweg einzubiegen, und es hierdurch zu einer Kollision mit dem bereits auf (nahezu) gleicher Höhe befindlichen Motorrad kommt.
2. Die Voraussetzungen für eine Schadensabrechnung auf der Basis des gutachterlich ermittelten Reparaturaufwands (fiktive Abrechnung) sind nicht gegeben, wenn der Geschädigte eine die Weiternutzung ermöglichende Reparatur des Motorrads nicht vornimmt, sondern dieses im unreparierten Zustand weiterveräußert.
3. Möchte der Geschädigte aus dem Regulierungsverhalten (der Versicherung) des Schädigers rechtliche Konsequenzen dergestalt herleiten, dass er wegen einer Einschränkung seines Wahlrechts hinsichtlich der Form der Schadensbehebung und einer damit einhergehenden Verletzung seines Integritätsinteresses einen (weiteren) Schaden in Höhe der Differenz zwischen dem Schadensbetrag bei fiktiver Schadensberechnung auf Reparaturkostenbasis und demjenigen auf Basis des Wiederbeschaffungsaufwands geltend machen möchte, so muss er vorab seiner Warnungspflicht nachkommen und den Schädiger bzw. dessen Versicherung auf diese drohenden Folgen hinweisen.
Verfahrensgang
LG Trier (Aktenzeichen 6 O 167/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 14.06.2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier, Az.: 6 O 167/18, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,
a) an den Kläger 3.752,42 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.08.2017 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 EUR zu zahlen;
b) den Kläger gegenüber dem Kraftfahrzeugsachverständigen- und Ingenieurbüro A., aus der vom 27.06.2017 datierenden Rechnung zu Rechnungs-Nr. ... in Höhe von weiteren 794,71 EUR freizustellen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 63 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 37 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 81 % und den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 19 % auferlegt.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Unfallereignis, das sich am 24.05.2017 auf der B 419 in Höhe des Ortes T. ereignet hat.
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen.
Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 10.695,67 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.08.2017 zu zahlen;
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn gegenüber dem Kraftfahrzeugsachverständigen- und Ingenieurbüro A., aus einer noch offenstehenden Forderung von 794,71 EUR nach Maßgabe der vom 27.06.2017 datierten Rechnung zu Rechnungs-Nr. ... freizustellen;
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm jeden weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus Anlass des Verkehrsunfallereignisses vom 24.05.2017 auf der B 419, 54xxx T. zur Entstehung gelangt;
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 490,99 EUR zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit seinem am 14.06.2019 verkündeten Urteil hat das Landgericht der Klage teilweise stattgegeben. Es hat die Beklagten unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von × zu 1/4 zu Lasten der Beklagten über den von der Beklagten zu 2. außergerichtlich geleisteten Betrag von 1.833,43 EUR hinaus zur Zahlung von weiteren 2.355,96 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (in beantragter Höhe) sowie zur Freistellung von durch die Inanspruchnahme eines Sachverständigen entstandenen Kosten in Höhe von 496,71 EUR verurteilt.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, den Beklagten zu 1. treffe ein weit überwiegendes Verschulden an der Herbeiführung des Unfallgeschehens, da er unter Missachtung der Sorgfaltsanforderungen des § 9 StVO aus einer Fahrzeugkolonne ausgeschert sei, um nach links in einen Wirtschaftsweg abzubiegen. Der Kläger seinerseits habe gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (§ 1 Abs. 2 StVO) verstoßen, indem er bei unklarer Verkehrslage überholt habe, obwohl er mit einem ungefährdeten Überholvorgang nicht habe rechnen können.
Zur Höhe des zuerkannten Schadensersatzes h...