Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungsfortsetzung nach fristloser Kündigung begründet keinen neuen Mietvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Ist das Mietverhältnis durch eine Kündigung wirksam beendet worden, kann der alte Vertrag nicht dadurch wieder aufleben, dass die Kündigung vom Vermieter zurückgenommen wird.
2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen in einem derartigen Fall ein neues Mietverhältnis zustande kommt, wenn der Vermieter erklärt, er setze die fristlose Kündigung bis auf Weiteres aus (Abgrenzung zu BGHZ 139, 123).
Normenkette
BGB §§ 145, 151, 154, 181, 535, 542-543, 580a, 581
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 31.08.2011; Aktenzeichen 16 O 238/10) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers das Urteil des LG Koblenz vom 31.8.2011 teilweise geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien sind Insolvenzverwalter, der Kläger über das Vermögen des Dirk G. und der Beklagte über das Vermögen der G+G Energie GmbH (künftig GmbH), deren Geschäftsführer und Gesellschafter Dirk G. und Christoph Gr. waren. Sie streiten in zweiter Instanz noch um Mietzins bzw. Nutzungsentschädigung für den Zeitraum Oktober 2009 bis einschließlich März 2010 betreffend eine Immobilie in Höhn, die zum Vermögen des Dirk G. gehörte.
Mit Vertrag vom 1.8.2006 wurde eine Teilfläche davon an die GmbH als Standfläche für ein Blockheizkraftwerk zu einem monatlichen Zins von 1.725 EUR vermietet. Mit Schreiben vom 31.1.2007 kündigte Dirk G. das Mietverhältnis fristlos wegen "rückständiger Mietbeiträge".
Zwischen den Parteien ist streitig, ob diese Kündigung später wirksam "zurückgenommen" wurde. Mit Schreiben vom 26.10.2009, eingegangen beim Kläger am 27.10.2009, kündigte der Beklagte seinerseits "vorsorglich das Miet- bzw. Nutzungsverhältnis" fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Der Kläger hat Mietzins für den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Dirk G., für die Monate Oktober 2009 bis einschließlich Juni 2010, geltend gemacht. Er hat behauptet, Dirk G. habe die fristlose Kündigung vom 31.1.2007 mit Schreiben vom 9.2.2007 zurückgenommen. Dieses sei der GmbH am 10.2.2007 zugegangen. Mit Schreiben vom 20.3.2007 habe die GmbH die Rücknahme der Kündigung bestätigt. Die Kündigung sei aufgehoben worden, da nachträglich und auch im Kalenderjahr 2007 durchgehend Miete gezahlt worden sei. Das Blockheizkraftwerk sei für den Beklagten frei zugänglich gewesen. Auf eine Nutzungsmöglichkeit durch den Insolvenzverwalter komme es letztlich nicht an, da es sich um Masseverbindlichkeiten handele. Der Kläger meint, dass es auf die Rechtsprechung zu § 181 BGB nicht ankomme, weil die Rücknahme eine einseitige Erklärung sei, die der anderen Seite nur zugehen müsse. Die spätere Kündigung des Beklagten sei gem. § 580a Abs. 2 BGB wirksam erst zum 30.6.2010 erfolgt.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 15.525 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 1.725 EUR ab dem 01.10., 01.11., 1.12.2009, 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05. und 1.6.2010 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat bestritten, dass das Schreiben des Dirk G. vom 9.2.2007 tatsächlich unter diesem Datum erstellt und der GmbH zugegangen sei. Der Zugang zum Blockheizkraftwerk sei bei Einleitung des Insolvenzverfahrens nicht möglich gewesen. Im Übrigen liege in der "Rücknahme" ein unzulässiges "Insichgeschäft" vor.
Das LG hat nach Beweisaufnahme der Klage i.H.v. 6.900 EUR (Mietzins vom Oktober 2009 bis Januar 2010) entsprochen und sie im Übrigen abgewiesen. In der Rücknahme der Kündigung sei ein Angebot auf Fortsetzung des Mietverhältnisses zu sehen, das die GmbH durch Andauern der Besitzverhältnisse schlüssig angenommen habe. Durch die noch im Oktober 2010 zugegangene Kündigung des Beklagten sei das Mietverhältnis zum 31.1.2010 beendet worden. Bis dahin seien die Mietforderungen als Masseverbindlichkeiten vom Beklagten zu zahlen. Auf Tatbestand- und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird im Übrigen Bezug genommen.
Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte die (vollständige) Abweisung der Klage:
Die einseitige Rücknahme der Kündigung durch Dirk G. sei nicht möglich gewesen, eine Neubegründung des Mietverhältnisses nicht erfolgt.
Der Kläger verteidigt das Urteil des LG, begehrt mit der Anschließung weitere Miete bzw. Nutzungsersatz i.H.v. 3.450 EUR nebst Zinsen für die Monate Februar und März 2010, da das Grundstück zumindest bis dahin genutzt worden sei.
Der Beklagte rügt Klageänderung und tritt dem entgegen. Das Kraftwerk sei stillgelegt gewesen; er habe weder Zutritt noch Nutzungsmöglichkeit gehabt.
II. Auf die zulässigen Rechtsmittel beider Parteien ist wie aus dem Tenor ersichtlich zu entscheiden. Dem Kläger stehen gegen den Beklagten weder Mietzins- ...