Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltshaftung für Kosten einer unschlüssigen Klage bei Deckungszusage durch den Rechtsschutzversicherer; Ende der Verjährungshemmung bei Einschlafen der Verhandlungen
Leitsatz (amtlich)
1. Erhebt der Rechtsanwalt schuldhaft eine unschlüssige Klage, ist der auf Erstattung der Prozesskosten gerichtete Schadensersatzanspruch des Mandanten nicht dadurch in Frage gestellt, dass sein Rechtsschutzversicherer die Kosten getragen hat.
2. Auch der Schadensersatzanspruch wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages geht nach § 20 Abs. 2 ARB auf den Rechtsschutzversicherer über. Diesen trifft wegen der Deckungszusage für die aussichtslose Klage in der Regel kein Mitverschulden.
3. Zur Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus einem Anwaltsvertrag in Übergangsfällen.
4. Ist die Verjährung wegen Verhandlungen gehemmt, die der Schuldner dann "einschlafen" lässt, dauert die Hemmung der Verjährung bis zu einer eindeutigen Verweigerung des Schuldners fort.
Normenkette
BGB §§ 203, 249, 254, 276, 675, 852 a.F.; BRAO § 51b; ARB-75 §§ 15, 17, 20; VGB 88 §§ 15, 22
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 25.01.2005; Aktenzeichen 2 O 240/04) |
Tenor
I. Unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin B.L. wird das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Mainz vom 25.1.2005 auf die Berufung des Klägers M.L. teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger M.L. 5.325,33 EUR nebst fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24.6.2004 zu zahlen.
Die weiter greifende Klage des Klägers M.L. wird abgewiesen, seine insoweit eingelegte Berufung zurückgewiesen.
II. Von den gerichtlichen Kosten beider Rechtszüge haben zu tragen:
Die Klägerin B.L. 50 %,
der Kläger M.L. 15,88 %,
der Beklagte 34,12 %.
III. Der Klägerin B.L. fallen ihre gesamten eigenen sowie 50 % der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zur Last.
Dem Kläger M.L. werden 15,88 % der außergerichtlichen Kosten des Beklagten auferlegt, der seinerseits 68,24 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers M.L. zu tragen hat.
Ihre verbleibenden außergerichtlichen Kosten haben der Kläger M.L. und der Beklagte jeweils selbst zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger und der Beklagte dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner entsprechende Sicherheit leistet.
V. Soweit der Beklagte verurteilt ist, wird die Revision zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger nehmen den beklagten Rechtsanwalt aus eigenem und abgetretenem Recht auf Schadensersatz wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages in Anspruch.
Im Februar 1999 entstand an einem Haus der Kläger ein Brandschaden. Der Brandversicherer zahlte eine Zeitwertentschädigung von 58.081 DM. Wegen des Umfangs der darüber hinaus zu zahlenden Neuwertentschädigung entstand Streit. Mit einem an den Beklagten adressierten Schreiben vom 22.3.2000 (Bl. 115/116 GA) bezifferte der Brandversicherer die Entschädigungsleistung zum Neuwert auf (lediglich) 105.797 DM. Wegen der Differenz zwischen Zeitwert- und Neuwertentschädigung verwies der Versicherer auf § 15 Nr. 4 der VGB 88. Außerdem enthält das Schreiben Hinweise auf das Sachverständigenverfahren gem. § 22 VGB 88 und den Umstand, dass die sechsmonatige Klagefrist während der Dauer des Sachverständigenverfahrens gehemmt ist.
Am 22.9.2000 erhob der Beklagte namens und in Vollmacht der Geschädigten eine Leistungs- und Feststellungsklage wegen der Entschädigungsleistung zum Neuwert. Der Versicherer verteidigte sich mit dem Hinweis auf § 15 Nr. 4 VGB 88; eine Sicherstellung im Sinne dieser Klausel sei nicht erfolgt. Daraufhin nahm der Beklagte die Klage in der ersten mündlichen Verhandlung am 8.3.2001 zurück; die Kosten des Rechtsstreits wurden den Klägern auferlegt.
Diese von den Klägern auf insgesamt 7.802,76 EUR bezifferten Kosten hat eine Rechtsschutzversicherung getragen; gleichwohl möchten die Kläger den Betrag vom Beklagten erstattet haben. Dazu stützen sie sich u.a. auf eine Abtretungserklärung des Rechtsschutzversicherers vom 19.12.2002 (Bl. 11 GA).
Die Kläger haben vorgetragen, der Beklagte habe pflichtwidrig Klage erhoben statt ein Sachverständigenverfahren nach § 22 VGB 88 anzustreben.
Der Beklagte hat erwidert, der Rechtsschutzversicherer der Kläger sei mit allem, insb. der Klagerücknahme einverstanden gewesen. Da der Rechtsschutzversicherer die Kosten getragen habe, fehle es an einem Schaden der Kläger.
Bereits im November 2002 hätten die Kläger andere Anwälte mit der Durchsetzung der Schadensersatzforderung wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages beauftragt, nachdem sein Mandat am 30.6.2001 geendet habe. Daher greife die Verjährungs- einrede.
Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, den Klägern sei kein Schaden entstanden, weil der Rechtsschutzversicherer die Kosten erstattet habe. Soweit aus abgetretenem Recht des Rechtsschutzversicherers geklagt werde, sei das rechtsmissbräuchlich, weil der Versicherer selbst vor der De...