Leitsatz (amtlich)
Der Versicherungsnehmer ist bei Abschluss einer Krankenversicherung nicht verpflichtet, den aufgrund einer einmaligen sonomorphologischen Untersuchung bestehenden Verdacht einer Fettleber und einer chronischen Pankreopathie, die keine medikamentöse Behandlung indizierte, anzuzeigen.
Normenkette
VVG § 16 Abs. 1; MB/KK 94
Verfahrensgang
LG Trier (Aktenzeichen 6 O 289/98) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 17. Januar 2000 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Rücktritt der Beklagten von dem Krankenversicherungsvertrag mit dem Kläger gemäß Versicherungsscheinnummer: 29/18288923 rechtsunwirksam ist und das Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien fortbesteht.
Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der im Jahre 1954 geborene Kläger stellte am 24.08.1996 bei der Beklagten den Antrag auf Abschluss einer Krankenversicherung (MB/KK 94), den die Beklagte mit Versicherungsschein vom 29.8.1996 annahm. In dem formularmäßigen Versicherungsantrag beantwortete er sämtliche Fragen nach seinem Gesundheitszustand sowie einer ärztlichen Behandlung in den zurückliegenden Jahren mit „Nein”. Das Antragsformular enthielt u. a. folgende Frage (Ziffer 2):
„Bestanden in den letzten drei Jahren oder bestehen gegenwärtig Krankheiten, Unfallfolgen, Beschwerden oder sonstige Gesundheitsstörungen?”.
Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 02.07.1998 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag mit der Begründung, der Kläger habe die Fragen im Antragsformular über seinen Gesundheitszustand nicht wahrheitsgemäß beantwortet. Der Kläger habe nicht angegeben, dass bei einer ärztlichen Untersuchung vom 9.7.1996 das Vorhandensein einer Fettleber und Anzeichen für eine chronische Pankreopathie festgestellt worden seien. Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass das Versicherungsverhältnis fortbesteht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.
II.
Die Berufung ist begründet.
1) Der von der Beklagten erklärte Rücktritt vom Krankenversicherungsvertrag ist unwirksam. Der Krankenversicherungsvertrag besteht fort. Nach § 16 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer bei Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind die Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen Einfluss auszuüben. Ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich (Prölss/Martin, VVG Komm., 26. Aufl. 1998, §§ 16, 17 Rn. 10). Der Versicherer ist zum Rücktritt vom Versicherungsvertrag berechtigt, wenn der Versicherungsnehmer für die Übernahme der versicherten Gefahr erhebliche Umstände bei Abschluss des Vertrages verschweigt. Im Falle ausdrücklicher und schriftlicher Befragung kommt es nicht einmal darauf an, ob der Versicherungsnehmer Kenntnis von der Erheblichkeit des Gefahrumstandes hatte. Es ist Sache des Versicherers, das Risiko von Beschwerden, Krankheiten und Gesundheitsstörungen, ggf. unter Einschaltung der Gesellschaftsärzte oder nach Rückfrage bei den behandelnden Ärzten zu beurteilen. Da ein Versicherungsnehmer in der Regel mangels medizinischer Kenntnisse nicht in der Lage ist, die Gefahrerheblichkeit körperlicher Beschwerden zu beurteilen, muss er alle, auch die als belanglos empfundenen Krankheiten oder Beschwerden anzeigen.
2) Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe die Fragen im Antragsformular, ob in den letzten drei Jahren Krankheiten, Beschwerden oder sonstige Gesundheitsstörungen vorgelegen hätten, mit „Nein” beantwortet, obwohl wenige Wochen vor Abschluss des Versicherungsvertrages bei einer ärztlichen Untersuchung beim Hausarzt Dr. B. Gesundheitsstörungen festgestellt worden seien.
a) Zu Recht rügt die Berufung, dass diese Würdigung des Sachverhalts einer Prüfung nicht standhalten kann. Anlässlich der ärztlichen Untersuchung im Juli 1996 durch den Hausarzt Dr. B. sind bei dem Kläger weder Krankheiten noch Gesundheitsstörungen im Sinne einer offenkundig nicht belanglosen Gesundheitsbeeinträchtigung festgestellt worden. Auch klagte der Kläger nicht über Beschwerden. Das Landgericht hat bei seiner Würdigung nicht beachtet, dass es sich bei der Beurteilung einer Fettleber und einer chronischen Pankreopathie nur um einen sonomorphologischen Befund und letztlich nur um einen Verdacht handelte, der sich aufgrund der anschließenden Untersuchung im Labor nicht bestätigte. Dieser bei der Ultraschalluntersuchung der Oberbauchorgane aufgetretene Zufallsbefund hat lediglich den Hausarzt veranlasst, den Kläger darauf hinzuweisen, dass er die Ernährung umstellen und weniger Fett, Süßspeisen essen und Alkohol trinken möge. E...