Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermutung der Dringlichkeit nur innerhalb eines Monats - Kurze Regelfrist
Leitsatz (amtlich)
Ob die Vermutung der Dringlichkeit gem. § 12 Abs. 2 UWG widerlegt ist, ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu prüfen. Die Vermutung der Dringlichkeit ist im Regelfall widerlegt, wenn der Antragstellers erst mehr als einen Monat nach Kenntniserlangung von der Wettbewerbshandlung einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellt, und keine diese Verzögerung rechtfertigenden Gründe bestehen (Abweichung von den früheren Entscheidungen OLG Koblenz, GRUR 1978, 718 (720) - Eröffnungsangebot; WRP 1985, 578).
Normenkette
UWG § 12 Abs. 2; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 11.11.2010; Aktenzeichen 3 HKO 203/10) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Beschluss des LG - 3. Kammer für Handelssachen - Koblenz vom 11.11.2010 wird zurückgewiesen.
2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Verfahren beider Instanzen wird, teilweise in Abänderung der Festsetzung des LG, auf 15.000, - EUR festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) hat keinen Erfolg. Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen.
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund (Dringlichkeit) voraus, §§ 935, 940 ZPO. Der Verfügungsgrund besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Zöller, Kommentar zur ZPO, 28. Aufl. 2010, § 935 Rz. 10). Grundsätzlich muss der Antragsteller diese objektive Dringlichkeit gem. § 935 ZPO, die als besondere Form des Rechtsschutzinteresses und damit als Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen ist, darlegen und glaubhaft machen. Jedoch gilt in Wettbewerbssachen die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG, die allerdings widerlegt werden kann (Hefermehl, Köhler, Bornkamm, 28. Aufl. 2010, § 12 Rz. 3.13).
Ein Verfügungsgrund ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. § 12 Abs. 2 UWG sieht vor, dass in Wettbewerbssachen einstweilige Verfügungen auch ohne Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden können. Die Privilegierung des Gläubigers durch die Dringlichkeitsvermutung hat ihre Rechtfertigung darin, dass unlauterer Wettbewerb häufig, wenn nicht sogar regelmäßig mit erheblichen Beeinträchtigungen und Auswirkungen verbunden ist und Schäden verursachen kann. Deshalb ist ein möglichst rascher Rechtsschutz vonnöten, durch den für die Zukunft Nachteile für die betroffenen Mitbewerber unterbunden werden (OLG Koblenz WRP 1985, 578, 579).
Die Vermutung der Dringlichkeit ist widerlegt, wenn der Antragsteller durch sein eigenes Verhalten selbst zu erkennen gibt, dass es "ihm nicht eilig ist". Das ist dann der Fall, wenn er längere Zeit zuwartet, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder grob fahrlässig nicht kennt (Hefermehl, Köhler, Bornkamm, § 12 Rz. 3.15; OLG Koblenz GRUR 1978, 718, 720).
Es ist umstritten, wie der Zeitraum des noch hinzunehmenden Zuwartens zu bemessen ist. Deshalb wenden einige OLG starre Fristen an, die in der Kommentarliteratur im Einzelnen aufgeführt werden (vgl. Hefermehl, Köhler, Bornkamm, § 12 Rz. 3.15). Das OLG Koblenz wird in diesem Zusammenhang bisher dahingehend zitiert, dass nach seiner Rechtsprechung der Antragsteller nach einem Verstoß 2 - 3 Monate Zeit habe, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen, ohne dass die Dringlichkeit entfiele (Hefermehl, Köhler, Bornkamm, § 12 Rz. 3.15 mit Verweis auf OLG Koblenz GRUR 1978, 718, 720; WRP 1985, 578).
Die zitierten Fristen sind jedoch keine starren Fristen, sondern sind und waren auch bisher nur als Richtwert anzusehen, der nicht jede Einzelfallprüfung überflüssig macht, sondern vielmehr nur einen Rahmen setzt. Dem entsprechend weist auch die Kommentarliteratur ausdrücklich darauf hin, dass im Einzelfall auch bei Zugrundelegung von Regelfristen auf Grund besonderer Umstände die Vermutung der Dringlichkeit schon früher widerlegt sein kann (Hefermehl, Köhler, Bornkamm, § 12 Rz. 3.15).
Die zitierten Entscheidungen des OLG Koblenz (OLG Koblenz GRUR 1978, 718, 720; WRP 1985, 578) enthalten weder in den in juris dargestellten Leitsätzen noch in den Urteilsgründen einen Grundsatz, der besagt, dass in jedem Fall die Dringlichkeit bezüglich jeden Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bis zum Ablauf von 2 - 3 Monaten gegeben sei. Vielmehr hat das OLG Koblenz in den zitierten Entscheidungen nur ausgeführt, dass die Vermutung der Dringlichkeit gem. § 25 UWG a.F. im Allgemeinen widerlegt ist, wenn der Antragsteller erst nach mehr als drei Monaten seit Bekanntwerden ...