Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigung für Umsatzausfall wegen Evakuierung bei Bombenentschärfung
Leitsatz (amtlich)
1. Die lediglich mehrstündige Evakuierung eines ganzen Stadtteils führt für die betroffenen Gewerbebetriebe (hier Gaststätten) nicht zu einem Entschädigungsanspruch wegen Umsatzeinbußen.
2. Den von einer sog. "Jedermann-Maßnahme" Betroffenen steht ein Entschädigungsanspruch allenfalls wegen eines enteignend wirkenden Eingriffs zu; sie werden nicht als Nichtstörer nach dem Polizeirecht in Anspruch genommen.
Normenkette
GG Art. 12, 14; BGB § 839; POG Rheinland-Pfalz §§ 68-69
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 19.03.2009; Aktenzeichen 1 O 323/08) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerinnen gegen das am 19.3.2009 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Koblenz wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits haben die Klägerin zu 1. zu 29 %, die Klägerin zu 2. zu 27 %, die Klägerin zu 3. zu 12 % und die Klägerin zu 4. zu 32 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerinnen betreiben jeweils eine Gaststätte/Restaurant in der K. er Innenstadt. Die Klägerin zu 1. ist Inhaberin des Restaurants "A." am ..., die Klägerin zu 2. ("Firma") ist Betreiberin des "B." in der F. straße, die Klägerin zu 3. betreibt das ebenfalls in der F. straße gelegene Restaurant "C." und die Klägerin zu 4. ist Inhaberin des Restaurants "D." in der F. straße.
Anfang November 2007 wurde bei Bauarbeiten auf dem Gelände des Z. platzes in K. eine 500 kg schwere Fliegerbombe entdeckt. Diese musste vor ihrem Abtransport an Ort und Stelle entschärft werden. Die Entschärfung der Bombe sollte am Sonntag, den 11.11.2007 durchgeführt werden. Da eine Explosion bei der Entschärfung nicht von vornherein sicher ausgeschlossen werden konnte, entschieden die mit der Sache befassten Bediensteten der Beklagten, dass ein großer Teil der K. er Innenstadt am 11.11.2007 von 9.00 Uhr bis zum Abschluss der Entschärfungsmaßnahmen evakuiert werden sollte. In diesem Zusammenhang veröffentlichten das Ordnungsamt und das Amt für Brand- und Katastrophenschutz der Beklagten ein Informationsblatt, in dem es u.a. heißt (Bl. 6 GA):
"Das Evakuierungsgebiet muss bis 9.00 Uhr verlassen sein. In den abgesperrten Bereich darf ab 9.00 Uhr nicht mehr eingefahren werden und sich bis zum Zeitpunkt der Entwarnung niemand aufhalten. Das Ordnungsamt, die Feuerwehr und die Polizei werden mit starken Kräften die Sicherheitszone kontrollieren.
Bitte verschließen Sie Ihre Häuser/Wohnungen, schließen Sie Ihre Fenster und lassen Sie - falls möglich - die Rolläden an den Fenstern herab. Verlassen Sie das Gebiet und begeben Sie sich im Bedarfsfall zu den genannten Betreuungsstellen."
Die Gaststätten/Restaurants der Klägerinnen befinden sich in dem bezeichneten Evakuierungsgebiet. Die Sperrung der Innenstadt am 11.11.2007 wurde um 15.20 Uhr aufgehoben.
Die Klägerinnen haben vorgetragen:
Ihnen sei aufgrund des Umstandes, dass sie ihre Gastronomiebetriebe am 11.11.2007 nicht hätten öffnen können, ein erheblicher Umsatzverlust entstanden. Dieser belaufe sich abzgl. der ersparten Warenkosten hinsichtlich der Klägerin zu 1. auf 2.775,58 EUR, bezüglich der klagenden Firma zu 2. auf 2.673,20 EUR, bezüglich der Klägerin zu 3. auf 1.215,01 EUR und bezüglich der Klägerin zu 4. auf 3.068,53 EUR.
Sie haben demnach beantragt, die Beklagten zu verurteilen,
an die Klägerin zu 1. 2.775,58 EUR,
an die Klägerin zu 2. 2.673,20 EUR,
an die Klägerin zu 3. 1.215,01 EUR und
an die Klägerin zu 4. 3.068,53 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nicht gegeben seien.
Das LG hat die Klage als unbegründet abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerinnen rechtmäßig als Nichtstörer in Anspruch genommen worden seien, diese Inanspruchnahme allerdings nicht in zurechenbarer Weise ursächlich für den geltend gemachten Vermögensschaden geworden sei. Im Rahmen einer Gesamtabwägung sei auch zu berücksichtigen, dass durch die behördliche Maßnahme gerade auch die Klägerinnen und deren Vermögen geschützt werden sollten (§ 69 Abs. 5 S. 1 POG Rheinland-Pfalz).
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerinnen, die ihr erstinstanzliches Begehren unverändert weiter verfolgen (Schriftsatz vom 7.5.2009, Bl. 78 ff. GA). Sie begründen dies unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen vor allem auch damit, dass § 69 Abs. 5 POG sich allenfalls auf die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Klägerinnen und nicht auf die klagenden juristischen Personen und Firmen selbst beziehen könne. Weiterhin verweisen sie auf die kausale Verursachung der Umsatzeinbußen durch die behördliche Maßnahme. In rechtlicher Hinsicht führen sie weiterhin aus, dass im Rahmen der §§ 68 ff. POG es tatbestandlich nicht erforderlich sei, dass ein "Sonderopfer" bei dem in A...