Entscheidungsstichwort (Thema)
Schmerzensgeldbemessung für überflüssige, aber folgenlose Knieoperation - patella release
Leitsatz (amtlich)
Nimmt ein Orthopäde in Erweiterung eines Eingriffs am Kniegelenk neben dem indizierten arthroskopischen Knorpelshaving ein nicht indiziertes laterales release der Patella vor, was bis auf eine geringfügig verlängerte postoperative Rekonvaleszenz folgenlos bleibt, kann das ein Schmerzensgeld von 1.000 EUR rechtfertigen.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 276, 280, 611
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 18.03.2014; Aktenzeichen 10 O 44/12) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 18.3.2014 in Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels dahin geändert, dass die Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt werden, gesamtschuldnerisch an die Klägerin 1.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.6.2012 zu zahlen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 11/12 und die Beklagten gesamtschuldnerisch 1/12.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin erlitt am 9.12.2010 bei einem Autounfall auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle u.a. rechtsseitig eine Knieprellung. Deshalb suchte sie wenig später den Beklagten zu 1. als Durchgangsarzt auf. Dieser ordnete nach einer Kontrolluntersuchung vom 13.12.2010 unter dem Eindruck einer leichten Schwellung des Knies eine kernspintomografische Untersuchung an. Sie wurde am 13.1.2011 anderweit durchgeführt und ergab einen durchweg unauffälligen Befund.
Gleichwohl stellte der Beklagte zu 1. bei einer Wiedervorstellung der Klägerin am 17.1.2011 die Indikation zu einem Eingriff. Dieserhalb schrieb er zwei Tage darauf an die Berufsgenossenschaft mit Blick auf das MRT: "Es zeigt sich hier als Unfallfolge ein Ödem in der Patella im Sinne eines bone bruise. Klinisch passt dazu der Andruckschmerz in der Patella sowie ein Knirschen. Es liegt ein traumatischer Patellaschaden vor. Wir planen (eine) Arthroskopie ... Wir werden den Knorpelschaden glätten und eventuell ein laterales release durchführen, um die Erholung der Patella zu verbessern."
Demgemäß verfuhr man am 2.2.2011 im Krankenhaus der Beklagten zu 2.. Dort erfolgten unter Assistenz des Beklagten zu 1. arthroskopisch ein Knorpelshaving und dann in offener Operation eine Kniescheibenlockerung. Am 5.2.2011 wurde die Klägerin aus der stationären Behandlung entlassen. Eine berufsgenossenschaftlich veranlasste Untersuchung vom 15.4.2011 stellte eine mit Schmerzen verbundene Beugeeinschränkung und Druckempfindlichkeiten im rechten Kniegelenk fest.
Diese - von den Beklagten bestrittenen - Beschwerden, mit denen eine mangelnde Belastbarkeit einhergehe und die zu einer mehrmonatigen Arbeitsunfähigkeit geführt hätten, hat die Klägerin auf den Eingriff vom 2.2.2011 zurückgeführt. Sie hat den Beklagten vorgeworfen, ihn im Widerspruch zur Befundlage vorgenommen und fälschlich eine unfallbedingte Indikation suggeriert zu haben. Im Hinblick darauf hat sie deren gesamtschuldnerische Verurteilung zur Zahlung eines mit mindestens 10.000 EUR zu beziffernden Schmerzensgeldes und die Feststellung deren Haftung für materielle Zukunftsschäden beantragt.
Das LG hat Sachverständigenbeweis erhoben und die Klage sodann abgewiesen. Es hat den Beklagten den Eingriff vom 2.2.2011 lediglich insoweit zum Vorwurf gemacht, als es in dessen Zuge zu einem Patella release gekommen sei. Dass sich aus diesem - nicht als grob einzustufenden Fehler - jedoch über die degenerative Disposition der Klägerin und die unmittelbaren Unfalleinflüsse hinaus eine Schädigung ergeben habe, lasse sich nicht feststellen.
Das greift die Klägerin in Erneuerung ihres erstinstanzlichen Begehrens mit der Berufung an. Sie rügt, dass das LG in Übergehung vorprozessualer Gutachten entschieden habe. Außerdem habe es verkannt, dass das Patella release einen groben Behandlungsfehler dargestellt habe und ihm überdies ein Befunderhebungsfehler vorausgegangen sei. Das kehre die Beweislast um.
II. Das Rechtsmittel hat lediglich einen geringfügigen Erfolg. Im Wesentlichen scheitert es. Zur Begründung kann an die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 4.6.2014 angeknüpft werden. Dort ist aufgezeigt worden, dass der Beklagte zu 1. zwar nicht fehlerfrei verfahren ist, dass aber daraus nur ein begrenzter Schaden erwachsen ist.
1. Der am 2.2.2011 im Krankenhaus der Beklagten zu 2. durchgeführte Eingriff war, auch wenn es hier keine richtungsweisende bildgebende Diagnostik gab, indiziert, um Knorpelveränderungen zu begegnen, für die es hinlängliche klinische Hinweise gab. Das Kniegelenk war, abweichend von der Symptomatik einer einfachen Prellung, in seiner Bewegung anhaltend schmerzhaft eingeschränkt, und die Patella knirschte. Insofern waren über Verschleißerscheinungen hinaus unfallbedingte funktionelle Schwächen vorhanden, die eine Abhilfe nahelegten. Das ist von dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. herausg...