Verfahrensgang
LG Aachen (Entscheidung vom 19.07.2022; Aktenzeichen 69 KLs 19/21) |
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts Aachen vom 19.07.2022 wird aufgehoben, soweit dem Beschwerdeführer eine Entschädigung für den in der Zeit vom 17.02.2021 bis zum 26.05.2021 erlittenen Freiheitsentzug versagt worden ist; der Beschwerdeführer ist auch für diesem Zeitraum zu entschädigen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Beschwerdeführer hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen eines zunächst gegen andere Beschuldigte geführten Ermittlungsverfahrens am 17.02.2021 wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorläufig festgenommen und befand sich seit dem 18.02.2021 in Untersuchungshaft, bis er im Oktober 2021 von deren weiterem Vollzug verschont wurde. Hintergrund der Verhaftung war unter anderem, dass im Rahmen einer Durchsuchung in der von dem Beschwerdeführer mit seinem Bruder, einem Mitbeschuldigten des Ermittlungsverfahrens, gemeinsam bewohnten Wohnung sowie in einem Fahrzeug des Beschwerdeführers Marihuana und an verschiedenen Orten deponiertes Bargeld aufgefunden worden war. Hinsichtlich der in seinem Fahrzeug befindlichen Menge von etwa zwei Kilogramm Marihuana äußerte der Beschwerdeführer im Verlauf der Durchsuchung gegenüber der Polizeibeamtin D., dass alles, was in seinem Fahrzeug sei, ihm gehöre. In der Folgezeit erhob die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer und dessen Bruder Anklage wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auch hinsichtlich dieser Handelsmenge (Fall 28 der Anklageschrift). Das Landgericht hat den Beschwerdeführer hiervon - wie auch in Bezug auf eine weitere Tat - mit Urteil vom 19.07.2022 freigesprochen. In diesem Rahmen hat es festgestellt, dass der Beschwerdeführer wegen der erlittenen Untersuchungshaft für die Zeit ab dem 27.05.2021 bis zu der Aufhebung des Haftbefehls - auch soweit dieser im Oktober 2021 außer Vollzug gesetzt wurde - zu entschädigen sei. Für den Zeitraum vom 17.02.2021 bis zum 26.05.2021 hat sie demgegenüber eine Entschädigung versagt. Durch seine Angaben gegenüber der Zeugin D. habe sich der Beschwerdeführer wahrheitswidrig selbst belastet und die Strafverfolgungsmaßnahme jedenfalls grob fahrlässig verursacht. Zwar sei der Beschwerdeführer vor seiner Äußerung trotz bestehender Pflicht zur Belehrung über sein ihm als Beschuldigten zukommendes Schweigerecht nicht belehrt worden, weshalb diese Äußerung hinsichtlich der Schuld- und Straffrage nicht habe verwertet werden dürfen. Anderes gelte indes für die die Frage, ob die Entschädigung des Beschwerdeführers für die zu Unrecht erlittene Untersuchungshaft gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ausgeschlossen sei. Bei dieser Entscheidung gehe es nicht um den Nachweis strafrechtlicher Schuld, sondern um eine auf dem Rechtsgedanken des § 254 BGB beruhende zivilrechtliche Zuordnung. Gegen diese am 19.07.2022 verkündete Entscheidung über die nicht zugesprochene Entschädigung für den Zeitraum vom 17.02.2021 bis zum 26.05.2021 richtet sich die am 26.07.2022 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers mit der er begehrt, auch für den in diesem Zeitraum erlittenen Freiheitsentzug entschädigt zu werden. Zur Begründung trägt er vor, dass die gegenüber der Zeugin D. am 17.02.2021 getätigten Angaben einem Verwertungsverbot unterlägen.
Gegen das Urteil vom 19.07.2022 hatte die Staatsanwaltschaft zunächst Revision eingelegt. Mit Blick hierauf hat der Senat auf die ihm vorgelegte sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 08.02.2023 entschieden, dass eine Entscheidung zunächst nicht veranlasst sei. Zwischenzeitlich hat die Staatsanwaltschaft ihre Revision gegen das Urteil des Landgerichts zurückgenommen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet zu verwerfen, da der Senat an die Feststellung des Landgerichts gebunden sei, dass der Beschwerdeführer die gegen ihn vollzogenen Strafverfolgungsmaßnahme der Untersuchungshaft grob fahrlässig verursacht habe.
II.
Das gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel des Beschwerdeführers ist begründet.
1. Wie bereits mit Beschluss vom 08.02.2023 dargelegt, ist der Senat für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig. Ungeachtet der dort dargestellten Rechtslage wäre eine etwaige Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG i.V.m. § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO auch aufgrund der Rücknahme der Revision durch die Staatsanwaltschaft nicht begründet.
2. Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers hat in der Sache Erfolg.
a) Der Beschwerdeführer hat in der Zeit vom 17.02.2021 bis zum 26.05.2021 durch seine vorläufige Festnahme und den Vollzug der Untersuchungshaft einen Schaden (§ 7 Abs. 1, 3 StrEG) erlitten, wobei er wegen des diesen Strafverfolgungsmaßnahmen zugrundeliegenden Tatvorwurfs freig...