Leitsatz (amtlich)
Das Beschwerdegericht ist auch unter Beachtung von § 12 FGG nicht stets gehalten, eine vom AG durchgeführte Beweisaufnahme zu wiederholen. Eine Beweiserhebung ist vielmehr abzuschließen, wenn nach pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters von einer weiteren oder von einer erneuten Beweisaufnahme ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht erwartet werden kann.
Im FGG-Verfahren ist § 377 Abs. 3 ZPO entspr. anzuwenden, so dass es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht, ob es einen Zeugen mündlich oder schriftlich vernimmt.
Das Ergebnis einer ohne Aussagegenehmigung durchgeführte Vernehmung eines der Verpflichtung zur Verschwiegenheit unterliegenden Zeugen (hier Notar) darf im Rahmen der Entscheidung verwertet werden.
Ein Motivirrtum kann auch bei einem grundlegenden Irrtum des Erblassers über die Entwicklung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des von der Erbfolge ausgeschlossenen Kindes gegeben sein. Insoweit können auch nach dem Erbfall eintretende Umstände Berücksichtigung finden.
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 02.07.2003; Aktenzeichen 11 T 53/03) |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 25.7.2003 gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des LG Köln vom 2.7.2003 – 11 T 53/03 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde einschl. der der Beteiligten zu 2) in diesem Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat die Beteiligte zu 1) zu tragen.
Gründe
1. Die zwischen dem 28. und 30.4.2002 verstorbene Erblasserin hat ein handschriftliches Testament mit folgendem Inhalt hinterlassen:
„Mein letzter Wille
Hiermit erhebe ich alle bisher errichteten Testamente auf und will es so angesehen wissen, als ob ich bisher keine Testamente errichtet hätte.
Ich setze hiermit meine Tochter
1. N.G., geb. L. H.-Str. 39, … M.
als Alleinerbin ein, meine Tochter
2. C.P., geborene L.
B.-Straße 37, …1 C.
erhält ihren Pflichtteil, 25 % vom Verkauf der Wohnung.
Falls meine Tochter N das Erbe nicht antreten kann, setze ich an ihrer Stelle J. und I.G. als Erben ein. Sollte meine Tochter C. das Erbe nicht antreten können, so erbt meine Tochter N. alles.
M., den 30.4.2000
Ma.L.
Anlage: Schenkungsurkunde”
Als Anlage zu diesem Testament ist eine als Schenkungsurkunde bezeichnete und ebenfalls das Datum „30.4.2000” tragende handschriftliche Erklärung der Erblasserin eröffnet worden. Inhalt dieser Erklärung ist die Schenkung näher bezeichneter Gegenstände (Wohnungseinrichtung, Schmuckstücke etc.) an die Töchter mit der Maßgabe, dass diese Gegenstände der Erblasserin bis zu ihrem Tode zu ihrem persönlichen Gebrauch zur Verfügung bleiben sollten.
Am 31.10.2002 hat die Beteiligte zu 1) mit notarieller Urkunde des Notars D in M (Urkundenrolle-Nr.: …/2002; Bl. 33 ff. d. BA. 10 VI 371/02) bei dem AG Leverkusen (Nachlassgericht) die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt. Unter dem 11.3.2003 hat die Beteiligte zu 2) (notarielle Urkunde vom 7.3. des Notars Dr. E in C; Urkundenrolle-Nr.: … 1/2003; Bl. 64 ff. d. BA. 10 VI 371/02) die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins mit dem Inhalt beantragt, dass die Beteiligten zu 1) und 2) die Erblasserin zu je 1/2-Anteil beerbt haben.
Zuvor hatte die Beteiligte zu 2) bereits mit einem am 28.6.2002 bei dem Nachlassgericht eingegangenen Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 27.6.2002 (Bl. 1 ff. d. GA.) die in dem Testament ihrer Mutter enthaltene Verfügung, derzufolge die Beteiligte zu 1) zur alleinigen Erbin bestimmt worden ist, gem. § 2078 BGB wegen eines Motivirrtums angefochten. Zur Begründung der Anfechtung hat sie ausgeführt, die Erblasserin habe sie nur deshalb auf den Pflichtteil gesetzt, damit für ihre – der Beteiligten zu 2) – Gläubiger über den Pflichtteil hinaus keine Vollstreckungsmöglichkeit in den Nachlass bestehen sollte. So sei sie aus einer für ihren geschiedenen Ehemann im Jahre 1980 eingegangenen Bürgschaft wegen titulierter Forderungen i.H.v. 44.335 Euro in Anspruch genommen worden.
Die Verbindlichkeiten hätte sie als Mutter von vier minderjährigen Kindern nicht zurückführen können, zumal der geschiedene Ehemann seiner Unterhaltszahlungsverpflichtung nicht nachgekommen sei. Insoweit habe sich die Erblasserin in einem Irrtum befunden, da es ihr, der Beteiligten zu 2), durch Verhandlungen mit den Gläubigern gelungen sei, sich von der Schuldenlast zu befreien. Bei Kenntnis dieses Umstandes hätte die Erblasserin ihre Töchter zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Diese sei immer bestrebt gewesen, ihre Kinder gleich zu behandeln. So habe die Erblasserin mit ihren beiden Töchtern besprochen, dass die Beteiligte zu 1) die Beteiligte zu 2) „im Innenverhältnis und hinter den Kulissen so stellen sollte, dass beide Schwestern die Mutter zu gleichen Teilen beerben.” Die Beteiligte zu 1) hat das Bestehen entspr. Absprachen bestritten und die Ansicht vertreten, eine Anfechtung wegen des behaupteten Motivirrtums komme schon deshalb nicht in Betracht, weil sich die Übe...