Leitsatz (amtlich)

1. Die von dem Kurierdienst eines Anwaltsvereins bereit gehaltenen Postfächer für Gerichte sind nicht Empfangseinrichtungen der jeweiligen Postfachadressaten.

2. Die Einlegung von Schriftstücken in die Postfächer des privaten Kurierdienstes am Tag des Fristablaufs selbst ist ohne Hinzutreten besonderer, das Vertrauen auf eine noch an diesem Tag erfolgende Verbringung zu dem Empfangsgericht rechtfertigende Umstände nicht fristwahrend.

 

Normenkette

ZPO §§ 233, 520

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 19.08.2009; Aktenzeichen 20 O 223/07)

 

Tenor

I. Der Antrag der Beklagten vom 2.11.2009 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

II. Die Berufung der Beklagten gegen das am 19.8.2009 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des LG Köln - 20 O 223/07 - wird als unzulässig verworfen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einem mit ihr bestehenden Teil-Kaskoversicherungsvertrag auf Entschädigungsleistungen in Anspruch. Das LG hat die Beklagte mit Urteil vom 19.8.2009 antragsgemäß zur Zahlung von 26.299,58 EUR verurteilt. Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten noch am 19.8.2009 zugestellte Urteil legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 8.9.2009 - fristgerecht - Berufung ein. Mit Schriftsatz vom 14.10.2009, bei dem OLG eingegangen am 20.10.2009, beantragte sie die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat. Auf telefonischen und schriftlichen Hinweis der Senatsvorsitzenden vom 20.10.2009, dass eine Verlängerung der bereits am 19.10.2009 abgelaufenen Begründungsfrist auf den erst am 20.10.2009 eingegangenen Antrag nicht in Betracht kommen dürfte, beantragte die Beklagte mit Schriftsatz vom 2.11.2009, ihr wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren; sie beantragte weiter eine Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 19.11.2009 und begründete zugleich ihre Berufung.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs bringt die Beklagte unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen ihres Prozessbevollmächtigten sowie dessen anwaltlichen Urlaubsvertreters vor, ihr Prozessbevollmächtigter habe den an das OLG adressierten Verlängerungsantrag am 14.10.2009 (Mittwoch) unterzeichnet und zur Gerichtspost gelegt. Am Montag, dem 19.10.2009, sei der Schriftsatz von dem ihn wegen seines zwischenzeitlich angetretenen Urlaubs vertretenden Kollegen Rechtsanwalt T etwa zwischen 11 Uhr und 11.30 Uhr in das von dem Kölner Anwaltsverein im Gebäude des Amts-/LG Köln bereitgehaltene Postfach für das OLG Köln eingelegt worden. In dem Fach hätten sich bereits mehrere Schriftstücke befunden; es entspreche zudem langjähriger Beobachtung, dass das u.a. für das OLG bestimmte Fach von den Mitarbeitern des Kurierdienstes des Kölner Anwaltsvereins frühestens in den Mittagsstunden geleert werde. Sein Vertreter habe deshalb darauf vertrauen dürfen, dass noch am 19.10.2009 eine Leerung des Faches und der Transport der eingelegten Post zum OLG erfolgten. Die tatsächlich erst am Folgetag, dem 20.10.2009, veranlasste Weiterleitung sei nicht vorhersehbar gewesen.

II. Die Berufung ist gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil die Frist des § 520 Abs. 2 ZPO zur Berufungsbegründung versäumt worden ist.

1. Die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist endete infolge der Urteilszustellung vom 19.8.2009 an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 19.10.2009. Auf den erst am 20.10.2009 eingegangenen Antrag konnte die Begründungsfrist nicht mehr verlängert werden, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen und einer Verlängerung deshalb nicht mehr zugänglich war. Der eine Berufungsbegründung enthaltende Schriftsatz vom 2.11.2009 ist folglich verspätet bei dem OLG eingegangen.

2. Der Beklagten war auf ihren Antrag vom 2.11.2009 keine Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist zu gewähren, und ihr neuerlicher Verlängerungsantrag vom gleichen Tage ging ins Leere. Denn das nach Maßgabe des § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO zulässige Wiedereinsetzungsgesuch ist unbegründet, weil der verspätete Eingang des Verlängerungsantrags vom 14.10.2009 beim OLG am 20.10.2009 auf ein Verschulden des (Urlaubsvertreters des) Prozessbevollmächtigten der Beklagten i.S.d. § 233 ZPO zurückzuführen ist, welches der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

a) Auf der Grundlage des durch eidesstattliche Versicherungen ihres Prozessbevollmächtigten sowie seines anwaltlichen Vertreters glaubhaft gemachten Vortrages der Beklagten ist davon auszugehen, dass der am 14.10.2009 ausgefertigte und unterzeichnete Verlängerungsantrag am späten Vormittag des 19.10.2009 in das von dem Kölner Anwaltsverein im Gerichtsgebäude des AG und LG Köln unterhaltene Postfach für das OLG eingelegt worden ist. Durch diese - noch vor Fristablauf erfolgte - Einlegung ist indes nicht bereits die Verfügungsgewalt des OLG begründet worden. Zwar kann durch das Einlegen eines Schriftstücks in ein von der Justizverwaltung in der Wachtmeisterei eines ...

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