Leitsatz (amtlich)
Zur Ablehnung eines Beweisantrags auf sachverständige Begutachtung gemäß § 77 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG, mit dem die Angaben zweier Polizeizeugen entkräftet werden sollen.
Normenkette
OWiG § 77 Abs. 2 Nr. 1
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu erneuter Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht V. zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit der angefochtenen Entscheidung wegen vorsätzlicher Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens, wobei die Rotphase bereits länger als eine Sekunde dauerte, zu der Geldbuße von 400,-- € verurteilt und ihm - mit Gestaltungsmöglichkeit gemäß § 25 Abs. 2a StVG - für die Dauer eines Monats verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehrt zu führen. Es hat zum Tatgeschehen die nachfolgenden Feststellungen getroffen:
Am 10. Februar 2022 befuhr der Betroffene als Fahrer des Pkw BMW, amtliches dänisches Kennzeichen N01, in V. die L.-straße in Richtung Y.-straße. Er bog rechts auf die Y.-straße ab und fuhr sodann auf den Kreuzungsbereich Y.-straße/M.-straße zu. Die dortige Lichtzeichenanlage zeigte für den Linksabbiegerverkehr auf den M.-straße bereits während der gesamten, sich über ca. 200 m erstreckenden Zufahrt des Betroffenen durchgehend Rotlicht. Der Betroffene setzte seine langsame Zufahrt auf den Kreuzungsbereich fort, bis er den möglichen Querverkehr vom M.-straße in Fahrtrichtung Y.-straße einsehen konnte, beschleunigte sein Fahrzeug dann abrupt, überfuhr vorsätzlich die Haltelinie der noch immer Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage im Kreuzungsbereich und fuhr anschließend zügig nach links auf den M.-straße in Fahrtrichtung Q. ein.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der dieser die Verletzung sachlichen Rechts rügt und das Verfahren beanstandet.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Ziff.1 und 2 OWiG statthafte, Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
1.
Für die von der Verteidigung in erster Linie erstrebte Verfahrenseinstellung besteht keine Veranlassung; Verfolgungsverjährung ist nicht eingetreten. Der Bußgeldbescheid vom 31. März 2022 bildet aus den vom Amtsgericht zutreffend dargelegten Gründen eine wirksame Verfahrensgrundlage.
2.
Das angefochtene Urteil unterfällt indessen auf die zulässig erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des § 77 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG der Aufhebung; auf die - freilich gleichfalls bedenkenswerten - sachlich-rechtlichen Beanstandungen zur subjektiven Tatseite kommt es damit nicht an.
a)
Der Rüge liegt das folgende Verfahrensgeschehen zugrunde:
Im Hauptverhandlungstermin hat der Verteidiger des Betroffenen den - zuvor bereits schriftsätzlich zur Akte gereichten - Antrag gestellt, auf der Grundlage von - teils bereits zur Akte gelangten - Signalzeitenplänen ein Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass (namentlich) am 10. Februar 2022, 04:57 die Ampel für Linksabbieger an der Kreuzung Y.-straße/M.-straße Grünlicht zeigt, wenn von der L.-straße bei Grünlicht auf die Y.-straße abgebogen und mit normaler Geschwindigkeit auf die Ampel für Linksabbieger an der Kreuzung Y.-straße/M.-straße zugefahren wird.
Diesen Antrag hat das Tatgericht mit der Kurzbegründung des § 77 Abs. 3 OWiG abgelehnt und hierzu in den Gründen des angefochtenen Urteils ausgeführt, es komme nicht darauf an, ob die tatsächliche Schaltung der Ampelanlage der von der Straßenverkehrsbehörde gewollten entsprochen habe. Es hätten zwei (polizeiliche) Zeugen zur Verfügung gestanden, die das maßgebliche Licht der Lichtzeichenanlage glaubhaft und verlässlich hätten beobachten und den stattgehabten Verstoß glaubhaft hätten darlegen können.
b)
Die Rüge hat Erfolg:
aa)
Sie ist zulässig erhoben.
Lehnt das Tatgericht einen Beweisantrag mit der Begründung des § 77 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG ab, die begehrte Beweiserhebung sei zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich, kann eine Verletzung des Beweisantragsrechts nur mit der Aufklärungsrüge beanstandet werden. Nötig ist demnach neben der Wiedergabe von Beweisantrag und gerichtlicher Entscheidung hierüber die bestimmte Behauptung eines dem Beschwerdeführer günstigen Beweisergebnisses. Ferner muss dieser sich dazu verhalten, welche Umstände das Tatgericht zu der begehrten Beweiserhebung hätten drängen bzw. eine solche jedenfalls hätten nahelegen müssen (s. insgesamt Senat NStZ-RR 2021, 25).
Diesen Anforderungen genügt die Rechtsbeschwerdebegründung. Namentlich wird mit dem Vortrag, die fragliche Ampelanlage an der Kreuzung Y.-straße/M.-straße schalte "stets" auf Grünlicht um, wenn diese von der bei Grünlicht verlassenen L.-straße aus angefahren werde und weiter mit der Behauptung, die Induktionsschleifen hätten zur Tatzeit nur bei Grünlicht zeigender Ampel an der Kreuzung Y.-straße/M.-straße einen Kontakt angezeigt ein dem Beschwerdeführer günstiges Beweisergebnis bestimmt behauptet. Soweit es in der Rechtsbeschwerde...