Leitsatz (amtlich)
Das Gericht darf die öffentliche Zustellung einer Klage nicht mit der Begründung ablehnen, es fehle die internationale Zuständigkeit des Gerichts für diesen Rechtsstreit.
Normenkette
ZPO § 271
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 16 W 27/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der Einzelrichterin der 25. Zivilkammer des LG Köln vom 31.7.2002 – 25 O 269/02 – aufgehoben.
Die Neubescheidung des Antrag der Klägerin auf öffentliche Zustellung der Klageschrift wird dem LG übertragen, und zwar mit der Maßgabe, dass der Antrag nicht wegen Fehlens der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte zurückgewiesen werden kann.
Gründe
I. Die Klägerin hat gegen den Beklagten eine Klage eingereicht, mit dem sie von ihm die Herausgabe von Gaststätteninventar verlangt, das sich nach ihrem Vortrag auf einem dem Beklagten gehörenden Grundstück befinden und ihr sicherungsübereignet sein soll. Nachdem die Klage dem Beklagten unter der im Rubrum angegebenen Anschrift nicht zugestellt werden konnte, hat die Klägerin die öffentliche Zustellung beantragt, da der Beklagte sich beim Einwohnermeldeamt der Stadt B.-G. nach „00137 (= Länderschlüsselnummer) Italien” abgemeldet habe und Nachforschungen nach seinem tatsächlichen Aufenthalt erfolglos geblieben seien. Nach Auskunft der Stadt B.-G. seien ca. 30 weitere Anwaltskanzleien – ebenfalls bisher erfolglos – auf der Suche nach dem Beklagten. Dieser sei vermutlich in Italien untergetaucht.
Das LG hat den Antrag auf öffentliche Zustellung der Klage mit der Begründung zurückgewiesen, es bestehe keine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, so dass auch keine Zustellung nach der deutschen ZPO erfolgen könne.
Mit der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
II. Die in formeller Hinsicht unbedenkliche sofortige Beschwerde ist begründet.
Die öffentliche Zustellung der Klage kann nicht wegen Fehlens der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte abgelehnt werden. Wenn bei einem Gericht eine Klage eingereicht wird, hat es diese nach § 271 ZPO zwingend zuzustellen. Das Fehlen von Prozessvoraussetzungen stellt grundsätzlich kein Zustellhindernis dar, zumal an die Zustellung die materiellrechtliche Wirkung einer Verjährungsunterbrechung nach § 209 Abs. 1 BGB a.F. bzw. Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. geknüpft ist. Vielmehr hat ein Kläger einen Anspruch darauf, dass über die Zulässigkeit einer von ihm erhobenen Klage in der vom Gesetz vorgesehenen Form, also in der Regel durch Urteil nach mündlicher Verhandlung entschieden wird und ihm die entsprechenden Rechtsmittel zur Verfügung stehen. Wegen dieses Justizgewährleistungsanspruchs kann nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen von einer Zustellung abgesehen werden, etwa dann, wenn Verfahrenshindernisse bestehen (z.B. im Falle einer Exterritorialität des Beklagten, Nichtzahlung des Gerichtskostenvorschusses vgl. Lüke in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Rz. 9 ff. mit weiteren Beispielen; Stein-Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., Rz. 22; Zöller/Greger u. Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 271 Rz. 6 i.V.m. § 216 Rz. 4–8, § 253 Rz. 21a). Das Fehlen der internationalen Zuständigkeit ist dagegen eine bloße Sachurteilungsvoraussetzung und daher vor der Zustellung nicht zu prüfen (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., Rz. 27). Dass eine andere Betrachtungsweise nicht richtig sein kann, wird bereits dadurch deutlich, dass beim Fehlen ausschließlicher Zuständigkeiten die internationale Zuständigkeit auch durch rügelose Einlassung begründet werden kann (Art. 24 EuGVVO bzw. Art. 18 EuGVÜ/LGVÜ sowie ansonsten § 39 ZPO entsprechend). Eine rügelose Einlassung setzt aber die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses und damit die Zustellung der Klage voraus.
Die Auffassung des LG, dass – abgesehen von einer rügelosen Einlassung nach Art. 24 EuGVVO, die im vorliegenden Fall eines nach Darlegung der Klägerin auf der Flucht vor seinen Gläubigern vermutlich in seinem Heimatland untergetauchten Beklagten kaum praktisch werden dürfte – eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht besteht, ist zwar richtig mit der Folge, dass die Klägerin kein Versäumnisurteil gegen den Beklagten erwirken kann, sondern die Klage auch im Falle der Säumnis des Beklagten nach dem derzeitigen Vorbringen der Klägerin als unzulässig abzuweisen sein wird. Die Ablehnung der öffentlichen Zustellung lässt sich nach alledem damit aber noch nicht rechtfertigen.
Die abschließende Entscheidung über den Antrag auf öffentliche Zustellung war gem. § 572 Abs. 3 ZPO dem LG zu übertragen. Dieses ist primär für die Prüfung der Voraussetzungen des § 185 ZPO (§ 206 ZPO a.F.) berufen und hat sich noch nicht dazu geäußert, ob diese vorliegen oder ob ggfls. von Amts wegen weitere Ermittlungen zu erfolgen haben.
Jennissen
Fundstellen
Haufe-Index 1107244 |
MDR 2003, 230 |
OLGR Köln 2002, 467 |
RIW 2003, 301 |
IPRspr. 2002, 171 |
KammerForum 2003, 165 |
NJOZ 2003, 172 |