Leitsatz (amtlich)

1. Die Rücknahme eines notariellen Testaments aus amtlicher Verwahrung gem. § 2256 BGB setzt Testierfähigkeit voraus. Dementsprechend ist das Rückgabeverlangen eines testierunfähigen Erblassers zurückzuweisen; dies gilt auch dann, wenn der Erblasser schon bei Errichtung des in amtlicher Verwahrung befindlichen Testaments testierunfähig war.

2. Die Rückgabe aus amtlicher Verwahrung setzt nicht voraus, dass die Testierfähigkeit zur Überzeugung des Gerichts feststeht; sie ist nur dann zu verweigern, wenn der Erblasser zweifelsfrei nicht testierfähig ist.

 

Verfahrensgang

AG Aachen (Beschluss vom 13.05.2013; Aktenzeichen 704 IV 78/97)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten vom 17.6.2013 gegen den Beschluss des AG Aachen vom 13.5.2013 - 704 IV 78/97 - und das Verfahrenskostenhilfegesuch des Beteiligten vom 17.6.2013 werden zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beschwerde des Beteiligten vom 17.6.2013 bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

1. Die Beschwerde ist allerdings gem. §§ 58 Abs. 1, 342 Abs. 1 Nr. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen in zulässiger Weise, insbesondere nach Maßgabe der §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 2 FamFG form- und fristgerecht eingelegt worden. Auch bestehen keine Bedenken gegen die wirksame Bevollmächtigung der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten durch dessen Betreuerin. Zwar handelt es sich bei Errichtung und Widerruf eines Testaments selbst um höchstpersönliche, einer Vertretung nicht zugängliche Geschäfte (§ 2064 BGB), dies hindert die Betreuerin indes nicht, innerhalb des ihr zugewiesenen Wirkungskreises der Vermögenssorge einen Rechtsanwalt mir der gerichtlichen Vertretung des Beteiligten in einem Verfahren zu beauftragen, im dem - aus ihrer Sicht - erst die Voraussetzungen für einen Testamentswiderruf geschaffen werden sollen. Denn mit der antragsgemäßen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses würde lediglich ein Hindernis auf dem Weg zur Rückgabe des Testaments vom 3.1.1997 beseitigt; das Recht des Beteiligten, selbst über die Frage zu entscheiden, ob er das von ihm errichtete Testament aus der amtlichen Verwahrung entgegennehmen will (§ 2256 Abs. 2 S. 2 BGB), bliebe hiervon unberührt.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Rechtspflegerin des AG hat die beantragte Rückgabe des Testaments vom 3.1.1997 aus der amtlichen Verwahrung im Ergebnis zu Recht verweigert.

a) Trotz des insoweit missverständlichen Wortlauts des § 346 Abs. 1 FamFG war die Rechtspflegerin für die getroffene Entscheidung funktionell zuständig. Zwar bestimmt die genannte Vorschrift, dass die Annahme einer Verfügung von Todes wegen in besondere amtliche Verwahrung sowie deren Herausgabe vom Richter anzuordnen ist. Hierbei handelt es sich aber um ein übertragenes Geschäft i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) RPflG, für das bundeseinheitlich der Rechtspfleger zuständig ist (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 17. Aufl. 2011, § 346 Rz. 5; MünchKomm/Hagena, BGB, 5. Aufl. 2010, § 2248 Rz. 10).

b) Gemäß § 2256 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Erblasser jederzeit die Rückgabe eines in amtliche Verwahrung genommenen Testaments verlangen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass nach § 2256 Abs. 1 S. 1 BGB ein vor einem Notar errichtetes Testament als widerrufen gilt, wenn die in amtliche Verwahrung genommene Urkunde dem Erblasser zurückgegeben wird. Die Rücknahme eines notariellen Testaments aus amtlicher Verwahrung ist deshalb auch eine Verfügung von Todes wegen, die zur Begründung ihrer Wirksamkeit Testierfähigkeit voraussetzt (vgl. etwa BayObLG NJW-RR 2005, 957 [juris-Rz. 8]; Zimmermann, a.a.O., § 346 Rz. 14; Palandt/Weidlich, BGB, 72. Aufl. 2013, § 2256 Rz. 1; Hagena, a.a.O., § 2256 Rz. 6; jeweils m. w. Nachw). Dementsprechend ist das Rückgabeverlangen eines für das Verwahrungsgericht erkennbar und zweifelsfrei testierunfähigen Erblassers zurückzuweisen (Hagena, a.a.O., § 2256 Rz. 6; Zimmermann, a.a.O., § 346 Rz. 17). Nach diesem Maßstab hat die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts die beantragte Rückgabe im Ergebnis zu Recht verweigert. Sie ist allerdings insoweit von falschen Voraussetzungen ausgegangen, als sie angenommen hat, die Testierfähigkeit müsse zur Überzeugung des Gerichts feststehen, während die Rückgabe tatsächlich nur dann zu verweigern ist, wenn der Erblasser zweifelsfrei nicht testierfähig ist. Dies kann indes letztlich dahinstehen, weil der Senat nach dem Inhalt der Akte von der Testierunfähigkeit des Erblassers überzeugt ist.

Testierfähigkeit ist die Fähigkeit, ein Testament rechtswirksam zu errichten, zu ändern und aufzuheben. Sie erfordert die Vorstellung des Testierers, dass er ein Testament errichtet und welchen Inhalt die darin enthaltenen Verfügungen haben; er muss in der Lage sein, sich ein Urteil zu bilden, welche Bedeutung seine Anordnungen in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht für die Betroffenen haben; entsprechendes gilt für die Gründe, die für und gegen die sittliche Berechtigung der Anordnungen sprechen. Der Erblasser muss schließlich ohne Einflussnahme Dritter den Inhalt d...

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