Leitsatz (amtlich)
Die volle 1,6fache Verfahrensgebühr Nr. 3200 RVG-VV ist vom Berufungsführer zu erstatten, wenn der Rechtsmittelgegner den Sachantrag auf Zurückweisung der Berufung nach Zustellung der Berufungsbegründung gestellt hat und das Berufungsgericht anschließend die Berufung nach § 522 Abs. ZPO zurückweist, ohne dass der Berufungsbeklagte zuvor noch eine Berufungserwiderung eingereicht hat.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, § 522 Abs. 2; RVG-VV Nrn. 3200-3201
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 23.06.2010; Aktenzeichen 20 O 189/08) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 5.531,12 EUR.
Gründe
Die gem. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch ansonsten verfahrensrechtlich unbedenkliche, insbesondere fristgerecht (§ 569 Abs. 1 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Aus im Kern zutreffenden Erwägungen, wie sie im Nichtabhilfebeschluss vom 10.8.2010 niedergelegt sind, hat der Rechtspfleger im Rahmen der angefochtenen Entscheidung die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 8.6.2010 angemeldeten zweitin-stanzlichen Kosten in voller Höhe berücksichtigt, also insbesondere, wie von der Beklagten beantragt, eine 1,6 fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG-VV in Ansatz gebracht. Das Rechtsmittel der Klägerin, mit dem sie stattdessen den Ansatz lediglich der ermäßigten 1,1 fachen Verfahrensgebühr Nr. 3201 RVG-VV erstrebt, gibt zu einer abweichenden Entscheidung keinen Anlass.
Die Klägerin hatte gegen das landgerichtliche Urteil mit Schriftsatz vom 4.1.2010 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel mit weiterem Schriftsatz vom 3.3.2010, der den Prozessbevollmächtigten der Beklagten ohne Bestimmung einer Erwiderungsfrist oder sonstige Auflagen zugestellt wurde und dort am 8.3.2010 zuging, begründet. Unter dem 9.3.2010 bestellten sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten auch für die zweite Instanz und stellten zugleich den Antrag, die Berufung zurückzuweisen; darüber hinaus heißt es in dem betreffenden Schriftsatz, eine Berufungserwiderung werde "auf ausdrückliche Aufforderung" des zuständigen Zivilsenats gefertigt, "sofern dies noch erforderlich sein sollte". Mit Beschluss vom 25.3.2010 (9 U 2/10) wies der Berufungssenat darauf hin, dass und aus welchen Gründen er beabsichtige, das Rechtsmittel der Klägerin nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Nachdem die Klägerin hierzu mit Schriftsatz vom 18.5.2010 Stellung genommen hatte, wurde die Berufung sodann durch einstimmigen Beschluss des zuständigen Berufungssenats vom 1.6.2010 (Az. wie vor) kostenpflichtig zurückgewiesen.
Bei dieser Sachlage ist die von der Beklagten für die Berufungsinstanz geltend gemachte volle 1,6 fache Verfahrensgebühr Nr. 3200 RVG-VV entstanden und auch gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattungsfähig:
Die Beschwerde stellt nicht substantiell in Abrede, dass der von den Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schriftsatz vom 9.3.2010 gestellte Antrag, "die Berufung zurückzuweisen", einen Sachantrag i.S.v. Nrn. 3200, 3201 RVG-VV darstellt, der gebührenrechtlich eine volle 1,6 fache Verfahrensgebühr entstehen ließ (vgl. N. Schneider in AnwKomm/RVG 5. Aufl. VV 3200 Rz. 13; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG 19. Aufl. VV 3201 Rz. 8). Die ermäßigte 1,1 fache Gebühr Nr. 3201 RVG-VV bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags fällt lediglich an, wenn der Auftrag des Anwalts endigt, bevor er - u.a. - einen Schriftsatz, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, bei Gericht eingereicht hat. Ein solcher Fall liegt hier nicht jedoch gerade nicht vor.
Die 1,6 fache Verfahrensgebühr ist auch nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO von der Klägerin zu erstatten. Die Erstattungsfähigkeit i.S.v. § 91 ZPO ist allerdings grundsätzlich von der Notwendigkeit der in Rede stehenden Maßnahmen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung abhängig. Die Erstattung von ihr aufgewandter Kosten kann eine Partei danach nur insoweit erwarten, als sie der ihr aus dem Prozessrechtsverhältnis obliegenden Pflicht nachgekommen ist, die Kosten möglichst gering zu halten. Insoweit kann den Beklagten indes erstattungsrechtlich zunächst nicht entgegen gehalten werden, die Einreichung eines Antrags auf Zurückweisung der Berufung sei nicht notwendig gewesen. Denn mit der Vorlage der Berufungsbegründung vom 3.3.2010 hatte die Klägerin ihre Absicht, das Rechtsmittelverfahren tatsächlich mit dem Ziel der Abänderung des ihr nachteiligen erstinstanzlichen Urteils streitig durchzuführen, eindeutig zu erkennen gegeben. Nach Eingang der Berufungsbegründung war die Beklagte deshalb in der Lage, durch einen entsprechenden Gegenantrag das Verfahren zu fördern. Die mit einem Sachantrag anfallende Verfahrensgebühr Nr. 3200 RVG-VV war jedenfalls ab diesem Zeitpunkt notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und damit kostenrechtlich erstattungsfähig (vgl. BGH NJW 2009, 2220, 2221 Tz. 11; OLG Stuttgart JurBüro 2007, 36).
Die Beklagte kann zude...