Verfahrensgang
LG Bonn (Entscheidung vom 20.12.1979; Aktenzeichen 3 O 481/79) |
LG Bonn (Entscheidung vom 05.06.1975; Aktenzeichen 3 O 349/73) |
LG Bonn (Entscheidung vom 10.01.1975) |
Tenor
I.
Auf die Beschwerde der Klägerin vom 21.1.1980 wird der Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 20.12.1979 - 3 O 481/79 - abgeändert und der Klägerin das Armenrecht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung bewilligt.
Weiter wird die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 10.1.1975 und dem Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Bonn vom 5.6.1975 - beides 3 O 349/73 - bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens - 3 O 481/79 LG Bonn - eingestellt.
II.
Die beantragte Beiordnung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin im Armenrechtsverfahren gemäß § 116 b Abs. 1 S. 1 ZPO bleibt dem Vorsitzenden der Zivilkammer vorbehalten.
Gründe
Für die von der Klägerin eingeleitete Klage gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel (§ 768 ZPO) ist ihr das Armenrecht zu gewähren (§ 114 ZPO).
Daß die Klägerin nicht in der Lage ist, die Kosten des Rechtsstreits aus eigenen Mitteln zu bestreiten, ist nachgewiesen.
Die hinreichende Erfolgsaussicht ihrer Rechtsverfolgung ist entgegen der Auffassung des Landgerichts zu bejahen.
1.)
Die Klägerin hat die ihr angefallene Erbschaft nach dem am 28.1.1979 verstorbenen Herrn H. G. nicht angenommen (§ 1943). Die Annahme nach § 1943 BGB ist eine Willenserklärung des Inhalts, Erbe sein und bleiben zu wollen und auf das Ausschlagungsrecht zu verzichten. Bei der folgenschweren Annahme einer solchen Erklärung ist jedenfalls dann Zurückhaltung geboten, wenn sie aus schlüssigem Verhalten gefolgert wird. Anderenfalls träte die Gefahr auf, daß die Fürsorgebereitschaft dritter Personen gemindert würde, notwendige Erhaltungsmaßnahmen zugunsten des Nachlasses zu unterlassen. Von diesen Grundsätzen ausgehend kann keine Feststellung zu Lasten der Klägerin getroffen werden, daß sie die Erbschaft durch Erklärung angenommen habe. Soweit die Kammer darauf abstellt, die Klägerin habe nicht in einer objektiv für Dritte erkennbaren Weise zu erkennen gegeben, sie wolle die Erbschaft nicht annehmen, verkennt sie die Rechtslage. Eine Annahmeerklärung darf nämlich nur dann bejaht werden, wenn eine solche objektive Erklärung positiv, festgestellt wird. Der Mangel einer derartigen Feststellung ist gleichbedeutend mit dem Mangel der Annahmeerklärung.
Daß die Klägerin von dem Erbvertrag und der darin vorgesehenen Erbeinsetzung gewußt hat, ist belanglos. Diese Kenntnis hat keinen Erklärungswert. Daß sie auf Anforderung des Nachlaßgerichts Angaben zum Nachlaß gemacht hat, ist ebenfalls bedeutungslos. Die Klägerin hat damit lediglich einem amtlichen Ersuchen entsprochen, aber keine gestaltende Willenserklärung abgegeben. Da sie 22 Jahre mit dem Erblasser zusammengelebt hatte, war sie die einzige in Betracht kommende Person, die überhaupt über die Verhältnisses des Erblassers unterrichtet war. Angesichts dessen geht es nicht an, ihre Bereitschaft, bei den vom Nachlaßgericht zu treffenden Feststellungen mitzuwirken, als Willenserklärung auf Annahme der Erbschaft zu deuten.
2.)
Daß die Klägerin die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB versäumt und dadurch den Tatbestand der Annahmefiktion des § 1943 BGB erfüllt hat, ist deshalb unbeachtlich, weil sie diese Rechtsfolge durch Anfechtung beseitigt hat. Der Fristablauf nach §§ 1943, 1944 BGB bei Fehlen der Annahmeabsicht infolge Unkenntnis über die Frist und ihre Bedeutung ist nach § 119 BGB anfechtbar (RGZ 143, 419). Die Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung stehen fest.
Es kann zweifelhaft sein, ob die Beklagte überhaupt bestreiten will, daß die Klägerin über den Lauf der Frist des § 1943 BGB und dessen Bedeutung unterrichtet war. Ausdrücklich ist dies nicht bestritten. Eine Aufforderung der Beklagten gemäß § 139 ZPO zur klärenden Stellungnahme erübrigt sich. Denn auch im Falle des Bestreitens kann an der Wirksamkeit der Anfechtungserklärung der Klägerin nicht gezweifelt werden. Die Klägerin wußte um die hohe Überschuldung des Nachlasses. Die Lebenserfahrung besagt, daß ein unbemittelter Erbe keine Erbschaft annimmt, die so überschuldet ist, daß er auf unabsehbare Zeit von den Nachlaßgläubigern bis zur Grenze seines pfändbaren Einkommens in Anspruch genommen werden könnte. Dieser Satz der Lebenserfahrung gilt so allgemein, daß in Art. 566 Abs. 2 des Schweizer Zivilgesetzbuches bei Überschuldung des Nachlasses sogar die Ausschlagung vermutet wird. Im Streitfall fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, daß es sich hier anders verhalten könnte. Im Gegenteil spricht das Verhalten der Klägerin dafür, daß sie sich nicht als endgültige Erbin angesehen hat. Sie hat zunächst vergeblich versucht, sich mit den Angehörigen des Erblassers in Verbindung zu setzen, damit diese die Beerdigung durchführen könnten. Das ist der Klägerin nur deshalb nicht gelungen, weil die Angehörigen es ablehnten, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Auch hat die Klägerin keinen Antrag auf...