Leitsatz (amtlich)
Der Halter eines im öffentlichen Verkehrsraum abgestellten Lkw haftet für die Gefahren, die während eines Entladevorgangs von einem auf dem Lkw montierten Ladekran ausgehen.
Normenkette
StVG § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen O 101/15) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 3. August 2018 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Bonn wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das vorbezeichnete Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 16.460,96 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger sind Eigentümer eines Hausgrundstücks. Für ein Bauvorhaben in ihrer Nachbarschaft lieferte die Beklagte mit einem Lkw Baumaterial an. Der Lkw hielt mit ausgefahrenen Stützen und laufendem Motor und wurde mithilfe eines auf dem Lkw montierten hydraulischen Krans entladen. Während des Abladevorgangs platzte ein Hydraulikschlauch des Krans und es spritzte Öl aus der abgerissenen Leitung. Das Öl verteilte sich in der Umgebung, insbesondere auch an der Hausfassade der Kläger und in ihrem Vorgarten.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Kläger 16.460,96 EUR Schadensersatz nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten zu zahlen. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
II. Der Senat sieht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und weist die zulässige Berufung durch Beschluss zurück. Er ist - wie bereits im Hinweisbeschluss vom 22. Januar 2019 ausgeführt - einstimmig davon überzeugt, dass die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen. Die Stellungnahme der Beklagten vom 14. Februar 2019 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
1. Die Berufung, die sich nur gegen die Bejahung einer Haftung dem Grunde nach wendet, die Bemessung des Schadens der Höhe nach aber nicht angreift, hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung zu Recht angenommen, dass die Beklagte den Klägern dem Grunde nach gemäß § 7 Abs. 1 StVG zum Schadensersatz verpflichtet ist.
a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Der Vorgarten und die Hausfassade der Kläger sind beim Betrieb des von der Beklagten gehaltenen Lkw beschädigt worden.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (zuletzt Urteile vom 8.12.2015 - VI ZR 139/15, BGHZ 208, 140 Rn. 11; vom 24.3.2015 - VI ZR 265/14, VersR 2015, 638 Rn. 5; vom 21.1.2014 - VI ZR 253/13, BGHZ 199, 377 Rn. 5; jew. mwN).
Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen ist es erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeugs als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeugs keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird (vgl. BGH, Urteile vom 8.12.2015 - VI ZR 139/15, BGHZ 208, 140 Rn. 12; vom 23.5.1978 - VI ZR 150/76, VersR 1978, 827; vom 27.5.1975 - VI ZR 95/74, VersR 1975, 945).
Bei einem stehenden Fahrzeug mit Arbeitsfunktionen ist eine Verbindung mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs auch dann gegeben, wenn das Kraftfahrzeug in innerem Zusammenhang mit seiner Funktion als Verkehrs- und Transportmittel entladen wird, und zwar auch dann, wenn das Entladen mithilfe einer speziellen Entladevorrichtung des Kraftfahrzeugs erfolgt. Daher haftet der Halter auch in diesen Fällen für die Gefahr, die das Kraftfahrzeug beim Entladen in dem in Anspruch genommenen Verkehrsraum für andere Verkehrsteilnehmer darstellt. Hierunter fällt nicht nur die Gefahr durch das entladene Kraftfahrzeug als solches, sondern auch diejenige, die von den Entladevorrichtungen und dem Ladegut ausgeht (BGH, Urteil vom 8.12.2015 - VI ZR 139/15, BGHZ 208, 140 Rn. 14).
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen zu Recht angenommen, dass der Schaden der Kläger auf den Betrieb des Lkw der Beklagten zurückzuführen ist.
Maßgeblich hierfür ist, dass der Lkw im öffentlichen Verkehrsraum vor dem Haus der Nachbarn der Kläger abgestellt war und dass das Öl aus dem aufgeplatzten Schlauch des Krans gespritzt ist, wäh...