Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage der Verwirklichung einer spezifischen Tiergefahr

 

Normenkette

BGB § 833

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 24.06.2010; Aktenzeichen 27 O 14/10)

 

Tenor

I. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 24.6.2010 verkündete Urteil der 27. Zivilkammer des LG Köln - 27 O 14/10 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

 

Gründe

Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Es hat mit zutreffenden Erwägungen angenommen, dass die Klägerin gegen die Beklagte aus § 833 S. 1 BGB keinen Anspruch auf Ersatz ihrer materiellen und immateriellen Schäden hat. Das Berufungsvorbringen der Klägerin veranlasst nicht zu einer abweichenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

1. Das LG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Verletzungen der Klägerin nicht auf die tierimmanente Gefahr des Hundes der Beklagten zurückzuführen sind. Die Haftung des Tierhalters aus § 833 BGB setzt voraus, dass sich bei der Rechtsgutverletzung des Geschädigten gerade die dem Tier typischer Weise anhaftende Gefahr verwirklicht hat. Diese spezifische Tiergefahr hat sich dann realisiert, wenn der Schaden auf der Unberechenbarkeit und Selbständigkeit tierischen Verhaltens sowie der dadurch hervorgerufenen Gefährdung beruht (vgl. BGH NJW-RR 2006, 813 [814]). Dies ist der Fall, wenn ein Tier ein gefährliches Verkehrshindernis bildet, weil es sich eigenmächtig ohne Rücksicht auf den Verkehr in den öffentlichen Verkehrsraum begeben hat. Ein solches "unvernünftiges" Verhalten entspricht der tierischen Natur; in ihm wirkt sich die Gefahr aus, die die Haltung des Tieres mit sich bringt und deretwegen die besondere Tierhalterhaftung geschaffen worden ist (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 2006, 893 [894]; OLG Frankfurt VersR 1982, 908; OLG Celle vom 3.12.1979 - 1 U 25/97 - Rz. 20, zitiert nach juris; OLG Nürnberg NJW 1965, 694 [695]). Für die entsprechenden tatsächlichen Umstände ist der Geschädigte darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BGH NJW-RR 1990, 789 [791]; OLG Köln vom 8.11.2002 - 1 U 22/02 - Rz. 13, zitiert nach juris; Haag in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., Kap. 18 Rz. 8). Die Verwirklichung einer solchen spezifischen Tiergefahr hat das LG an Hand des von der Beklagten geschilderten Unfallhergangs zutreffend verneint.

Das LG hat sich nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme aus nachvollziehbaren Gründen nicht davon überzeugt gezeigt, dass sich der Unfall wie von der Klägerin geschildert zugetragen hat, und deshalb seiner rechtlichen Beurteilung den von der Beklagten angegebenen Unfallhergang zugrunde gelegt. Sofern die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung meint, der Unfall habe sich entsprechend ihrer Erklärungen ereignet, hat sie keine Anhaltspunkte aufgezeigt, die für eine unzutreffende Beweiswürdigung seitens des LG sprechen und deshalb Zweifel an der Richtigkeit der vom LG zugrunde gelegten Tatsachen begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die in sich geschlossenen Unfallschilderungen sowohl der Klägerin als auch der Beklagten stellen sich jeweils für sich genommen als plausibel dar. Dabei hat das LG in nachvollziehbarer Weise den Darlegungen der Klägerin im Hinblick auf den wiederholten Hinweis, sie habe den Hund der Beklagten stets im Auge behalten, erkennbare Belastungstendenzen und der Schilderung der Beklagten angesichts des erkennbaren Tendenz, ein Fehlverhalten ihres Hundes zu widerlegen, eine deutliche Entlastungsneigung beigemessen. Dass sich das LG unter diesen Umständen von beiden Unfallversionen nicht überzeugt gezeigt hat, ist nicht zu beanstanden. Dieses offene Beweisergebnis geht zu Lasten der für die Anspruchsvoraussetzungen der Tierhalterhaftung der Beklagten beweispflichtigen Klägerin.

Dem zu Folge ist nach Beweislastgrundsätzen entsprechend der Schilderung der Beklagten davon auszugehen, dass deren angeleinter Hund zwischen den stehen gebliebenen, in eine bestimmte Blickrichtung seitwärts gewandten Parteien angehalten hat und die Klägerin, nachdem sie als erste wieder in Geradeausrichtung losgegangen ist, entweder vor dem vor ihr stehenden Hund abrupt gestoppt oder über diesen gestolpert und dadurch zu Boden gefallen ist. Demnach hat sich der Hund nicht von sich aus willkürlich vor der Klägerin positioniert, sondern ist - gerade zur Vermeidung eines unkontrollierten Verhaltens - neben der Beklagten stehen geblieben. Voraussetzung ...

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