Leitsatz (amtlich)

Zur Durchführung der Anrechnung, wenn der Rechtsanwalt vorgerichtlich im Mahnverfahren sowie im Hauptsacheverfahren tätig wird.

 

Normenkette

RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4; RVG-VV Nrn. 2300, 3100, 3305, 3307

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 12.08.2008; Aktenzeichen 8 O 150/07)

 

Tenor

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim LG Köln vom 12.8.2008 - 8 O 150/07 - wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Auf Grund des Vergleichs vor der 8. Zivilkammer des LG Köln vom 6.3.2008 sind von der Beklagten an die Klägerin 1.219,24 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 10.6.2008 zu erstatten.

Im Übrigen wir die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin zu 70 % und die Beklagte zu 30 %. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.

Gegenstandswert: 314,76 EUR (1.437,36 EUR -1.122,60 EUR)

 

Gründe

I. Beide Parteien waren vorgerichtlich bereits anwaltlich vertreten. Nach Durchführung des Mahnverfahrens wurde die Sache infolge des Widerspruchs der Beklagten an das Streitgericht abgegeben. Im Termin schlossen die Parteien einen Vergleich, der eine Kostenquote vorsieht.

In Streit steht die Frage der Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr. Der Rechtspfleger hat auf Seiten der Klägerin auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV die Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 RVG-VV (1,0) in voller Höhe sowie die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV zu 1/2 (0,65) angerechnet und diese somit auf null festgesetzt. Auf Beklagtenseite ist er ebenso verfahren. Allerdings hat er für die Verfahrensgebühr zugunsten der Beklagten einen Betrag von 291,65 EUR errechnet, da die Verfahrensgebühr für den Anwalt der Beklagtenseite nach Nr. 3307 RVG-VV lediglich i.H.v. 0,5 entsteht.

Gegen die Art und Weise der doppelten Anrechnung richtet sich das Rechtsmittel der Beklagten, dem der Rechtspfleger nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.

II. Die gem. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch ansonsten verfahrensrechtlich unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst nur teilweise Erfolg.

Wie die Gebührenrechnung und insbesondere die Anrechnungen vorzunehmen sind, wenn sich an eine außergerichtliche Tätigkeit zunächst eine solche im Mahnverfahren und sodann eine weitere im Streitverfahren anschließt, dazu: Bräuer, in: Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, RVG, 3. Aufl., Nr. 3305 RVG-VV Rz. 35 ff.; Nr. 3307 RVG-VV Rz. 14 ff.; Meyer, JB 2008, 16 ff.; Enders, JB 2005, 243 ff.. Es ist dabei zu beachten, dass nach Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV zu 1/2, maximal zu 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist. Entstehen mehrere Verfahrensgebühren, etwa für die vorgerichtliche und die Tätigkeit im Mahnverfahren, dann ist für die Anrechnung die zuletzt entstandene nach Nr. 2300 RVG-VV maßgebend. Das heißt, sie ist auf die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens vorzunehmen, nämlich auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 RVG-VV, soweit es die Kläger- und auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3307 RVG-VV, soweit es die Beklagtenseite angeht.

Hiernach gilt für den vorliegenden Fall Folgendes:

1. Klägerseite:

1,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 RVG-VV

1.277 EUR

./. 0,65 Verfahrensgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV

880,10 EUR

+Pauschale

20 EUR

Zwischensumme

416,90 EUR

1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV

1.760,20 EUR

./. 1,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 RVG-VV

1.277 EUR

+1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV

1.624,80 EUR

+1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003 RVG-VV

1.354 EUR

+Pauschale

20 EUR

3.482 EUR

+s.o.

416,90 EUR

3.898,90 EUR

In Höhe des vorgenannten Betrages kann die Klägerin Kosten zur Festsetzung anmelden.

2. Beklagtenseite:

Was die Berechnung auf Beklagtenseite angeht, so ist zu beachten, dass nach Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV die Geschäftsgebühr grundsätzlich nur zu ½ auf die Verfahrensgebühr angerechnet wird. Da die Verfahrensgebühr für den Beklagtenvertreter im Mahnverfahren gem. Nr. 3307 RVG-VV lediglich 0,5 beträgt, kann eine Anrechnung auch nur in dieser Höhe erfolgen. Im Streitverfahren verdient der Beklagtenver-treter sodann eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV, worauf die 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3307 RVG-VV nur in dieser Höhe angerechnet wird. Dies führt aber dazu, dass der Rechtsanwalt entgegen § 15 RVG mehr verdienen würde, als wenn er sofort gerichtlich mandatiert worden wäre. Deshalb sind die bei der ersten Anrechnung nicht berücksichtigten 0,15 (0,65 - 0,5) bei der zweiten mit zu berücksichtigen (Hergenröder AGS 2005, 274 f.; s. a. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt u.a., RVG, 18. Aufl., Nr. 2300, 2301 RVG-VV Rz. 40; OLG Hamburg JB 1977, 375 = MDR 1977, 325).

Hiernach ergibt sich folgende Berechnung für die Beklagtenseite:

0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3307 RVG-VV

638,50 EUR

./. 0,65 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV

638,50 EUR

0 EUR

+Pauschale

20 EUR

Zwischensumme

20 E...

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