Leitsatz (amtlich)
1. Vereinbaren eine Rechtsanwaltsgesellschaft und ein beitrittswilliger Rechtsanwalt schon für die Zeit vor dem Beitritt die Aufnahme der anwaltlichen Tätigkeit und den gemeinsamen Betrieb einer Anwaltskanzlei, kann in der betreffenden Vereinbarung ein Gesellschaftsvertrag liegen, dessen Abschluss der Rechtsanwaltsgesellschaft gem. § 59c Abs. 2 BRAO untersagt und der deshalb nach § 134 BGB nichtig ist.
2. Die für fehlerhafte Gesellschaften geltenden Grundsätze finden in einem solchen Fall keine Anwendung.
3. Einem danach in Betracht kommenden Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB steht § 817 S. 2 BGB, wenn der Verstoß gegen § 59c Abs. 2 BRAO offensichtlich ist.
4. Es kann offen bleiben, ob auch § 138 Abs. 1 BGB mit Rücksicht auf den Umfang der vom Rechtsanwalt zu erbringenden Leistungen einerseits und die Höhe der Leistungen der Rechtsanwaltsgesellschaft andererseits eingreift.
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 28.11.2012; Aktenzeichen 23 O 93/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 23. Zivilkammer des LG Köln vom 28.11.2012 - 23 O 93/11 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.1. Die Parteien streiten um die Zahlung eines nach Verrechnung bestimmter Einnahmen und Entnahmen bestehenden Saldos.
Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der K Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Schuldnerin) bestellt, die seit 2003 zum einen Rechtsanwaltsleistungen erbrachte, zum anderen ein bundesweites Netzwerk von Niederlassungen mit gemeinem Marktauftritt und zentraler Verwaltung am Sitz der Gesellschaft in ... aufbaute. Die Schuldnerin erbrachte die den Mandanten geschuldeten Leistungen einerseits durch Rechtsanwälte, die als geschäftsführende Gesellschafter der GmbH tätig waren. Andererseits waren sog. Partner in ihrem Namen tätig. Solchen Partnerschaften lagen Verträge (PV) wie derjenige, den die Beklagte mit der Schuldnerin schloss (vgl. Anlage K 2, Bl. 19 ff. GA), zugrunde. Danach wollten sowohl die Schuldnerin als auch der jeweilige Partner den Erwerb eines Geschäftsanteils zum Nominalwert von 100 EUR durch den Partner herbeiführen (vgl. Anlage K 2, PV Ziffern I 1). Vorab sollte die Schuldnerin dem Partner bereits die Gelegenheit zur Anwaltstätigkeit in einer ihrer Niederlassungen (Büro, Ausstattung usw.) bieten (vgl. Anlage K 2, PV Ziff. II), und der Partner sollte seine anwaltliche Tätigkeit für die GmbH aufnehmen (vgl. Anlage K 2, PV Ziffern I 2 und 3, IV). Ferner sollte er der GmbH ein mit Mitteln der KfW finanziertes (Gesellschafter-)Darlehen i.H.v. 50.000 EUR zur Verfügung stellen, das im Rang hinter Forderungen außenstehender Gläubiger zurücktreten sollte (vgl. Anlage K 2, PV Ziffern III, V 2). Die laufende Vergütung der Partner war so geregelt, dass diesen zum einen ein monatliches Entnahmerecht i.H.v. 1.667,67 EUR zustand (vgl. Anlage K 2, PV Ziffer VI). Die entnommenen Beträge sollten allerdings als Gewinnvorab behandelt werden (vgl. Anlage K 2, PV Ziffer VI). Ferner sollten die Partner an dem von ihnen erwirtschafteten Gewinn sowie an dem in der Niederlassung erwirtschafteten Gewinn teilhaben (vgl. Anlage K 2, PV Ziffern V 4 sowie Anlage K 2, PV Anlage 1, Bl. 29 GA). Die vorgenannten Entnahmen sollten nur zulässig sein, soweit und solange die Summe aus Darlehensmitteln, Gewinnanteilen und Entnahmen positiv blieb (vgl. Anlage K 2, PV Ziffer VI). Schließlich sah der PV für den Fall eines Ausscheidens zum einen die Rückgewähr eines erworbenen Geschäftsanteils (vgl. Anlage K 2, PV Ziffern VIII 7), zum anderen die Auszahlung eines zugunsten des Partners nach Verrechnung aller wechselseitigen Forderungen verbleibenden Saldos vor (vgl. Anlage K 2, PV Ziffern VIII 1).
Die Beklagte unterzeichnete einen solchen Vertrag mit der Schuldnerin am 10.4.2006 und nahm ihre anwaltliche Tätigkeit für die Schuldnerin in deren ... Niederlassung am 9.8.2006 auf. Hier war sie bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses am 31.7.2007 tätig.
Im ersten Rechtszug hat der Kläger die Beklagte nach ihrem Ausscheiden gestützt auf PV Ziffern VIII 1 auf Zahlung eines aus Entnahmen, Kosten und Gewinnanteilen bestehenden Saldos i.H.v. 10.066,92 EUR in Anspruch genommen.
Die Beklagte hat in der Sache die Auffassung vertreten, der PV sei gem. § 134 BGB i.V.m. § 59e, § 59l BRAO, § 46 BORA, § 15 Abs. 3 und Abs. 4 GmbHG sowie gem. § 138 Abs. 1 BGB wegen eines unvertretbaren Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung und Ausnutzung ihrer wirtschaftlichen Unerfahrenheit seitens der Schu...