Leitsatz (amtlich)
Die Regeln des gegen den Auffahrenden sprechenden Anscheinsbeweises greifen nicht ein, wenn unstreitig ist, dass der Vorausfahrende nach links auf ein Grundstück abbiegen wollte, so dass die Vorschrift des § 9 Abs. 1 S. 4 und § 9 Abs. 5 StVO Platz greift.
Genügt der Abbiegende einerseits nicht seiner doppelten Rückschaupflicht und überholt der Nachfolgende andererseits bei unklarer Verkehrslage, so rechtfertigt dies eine Haftungsverteilung von 50: 50.
Beteiligte
2. der Frau Sabine Elisabeth Meier |
3. der Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. in Coburg (HUK-Coburg) |
Vorsitzenden des Vorstandes, Herrn Rolf Peter Hoenen |
die Fa. Laudenberg Verpackungsmaschinen GmbH |
Geschäftsführer Bernd Laudenberg, Edith Laudenberg und Gerhard Dahl |
Anwaltssozietät Rechtsanwälte Leinen & Derichs |
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 21 O 447/97) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15.1.1999 – 21 O 447/97 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 22.288,11 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 17. Juli 1997 abzüglich am 18.3.1999 gezahlter 14.858,74 DM zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin zu 50 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 50 % zu tragen; die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 60,49 %, den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 39,51 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg; statt der vom Landgericht erkannten Haftungsquote von 80 % zu Lasten der Beklagten sind sie nur verpflichtet, der Klägerin 50 % des ihr anläßlich des Unfallgeschehens vom 8.7.1997 entstandenen Schadens zu ersetzen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin handelte es sich um keinen typischen Auffahrunfall. Denn es ist unstreitig, dass der Geschäftsführer der Klägerinnach links auf ein Grundstück (Parkstreifen) abbiegen wollte, als es zur Kollision mit dem nachfolgenden Fahrzeug der Beklagten zu 2) kam. Damit greift die Vorschrift des § 9 Abs. 1 S. 4 und Abs. 5 StVO ein. Hiernach trifft den nach links Abbiegenden eine doppelte Rückschaupflicht und er hat sich zudem so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dass ihr Geschäftsführer sich so verhalten hat, hat die Klägerin schon nicht überzeugend dargelegt und schon gar nicht bewiesen. Ihre Darstellung des Fahrverhaltens ihres Geschäftsführers ist widersprüchlich. Während sie in der Klageschrift behauptet hat, er habe nach links geblinkt, sich zur Straßenmitte eingeordnet und die Geschwindigkeit auf 10 km/h verlangsamt, der Beklagte zu 2) sei noch vor Beginn des Abbiegevorgangs aufgefahren, behauptet sie im nachfolgenden Schriftsatz erstmals zusätzlich, ihr Geschäftsführer habe nicht in einem Zuge abbiegen können, weil Gegenverkehr gekommen sei. Nachdem der Sachverständige Hülser in seinem Gutachten vom 3.8.1998 festgestellt hatte, dass die Sachdarstellung der Klägerin nicht zutreffen könne, der Anstoß vielmehr von schräg hinten links mit einem Kollisionswinkel von 30° bis 40° erfolgt sein müsse, was sich mit der Darstellung der Beklagten vereinbaren lasse, das klägerische Fahrzeug sei ursprünglich langsam rechts auf der Fahrbahn gefahren und dann kurz vor dem Unfall nach links geschwenkt, behauptet die Klägerin nachfolgend, ihr Geschäftsführer habe offensichtlich schon die Lenkung nach links eingeschlagen gehabt, weil er mit keinem Überholvorgang habe rechnen können, er habe seine Geschwindigkeit auf 10 km/h verringert gehabt, als der Beklagte zu 1) aufgefahren sei; von Gegenverkehr, den die Beklagten auch bestritten hatten, ist in diesem Schriftsatz keine Rede mehr. Diese Behauptung wird erst in der Berufungserwiderung wieder aufgegriffen; jetzt soll der Geschäftsführer nicht sogleich abgebogen sein, weil er den Gegenverkehr abwarten musste, sein Fahrzeug habe sich allenfalls in einer minimalen Schrägfahrt befunden und der Beklagte zu 2) sei zum Überholen auf die Gegenfahrbahn geschwenkt, habe dann aber wegen des Gegenverkehrs abrupt nach rechts lenken müssen, so dass er in einem Winkel von 30° bis 40° aufgeprallt sei. Diese neuerliche Darstellung des Unfallgeschehens lässt sich zwar ebenfalls mit den festgestellten Beschädigungen, die auf einen schrägen Anstoß hinwiesen, vereinbaren. Sie ist aber so erkennbar auf das Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens abgestellt, dass der Senat sie – auch im Hinblick auf die zuvor aufgezeigten Widersprüchlichkeiten im Sachvortrag der Klägerin für unglaubhaft hält. Demgegenüber lassen sich die Feststellungen des Sachverständigen Hülser mühelos mit der Sachdarstellung der Beklagten vereinbaren, die vorprozessual und prozessual gleich geblieben ist; hiernach soll das klägerische ...