Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung einer in einem Unternehmenskaufvertrag nach Art. 17 LugÜ/EuGVÜ bzw. Art. 23 EuGVVO getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung („exclusive jurisdiction”) als Aufrechnungsverbot.
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 21.01.2003; Aktenzeichen 5 O 518/01) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Köln vom 21.1.2003 (5 O 518/01) dahin abgeändert, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu 1/10 zu tragen hat und dass die Entscheidung über die weiteren Kosten des Rechtsstreits erster Instanz dem LG Düsseldorf, an das das Verfahren hinsichtlich der Widerklage verwiesen worden ist, vorbehalten bleibt.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
A. Wegen des Sachverhaltes wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
1. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung fort. Sie wendet sich nicht gegen die Verweisung der Widerklage an das LG Düsseldorf, beantragt insoweit allerdings, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Entscheidung über die Kosten der Widerklage dem LG Düsseldorf vorbehalten bleibt. Sie begründet das Rechtsmittel im Wesentlichen wie folgt:
Die in Ziff. 7.11 des Unternehmenskaufvertrages vom 1.10.1995 getroffene Gerichtsstandsvereinbarung sei gem. § 38 ZPO unwirksam. Entgegen der Ansicht des LG fänden Art. 17 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 23 EuGVVO keine Anwendung. Soweit der Kläger und die Drittwiderbeklagte zu 2) eingewendet hätten, dass sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren Wohnsitz bereits in der Schweiz gehabt hätten, sei Art. 17 LugÜ einschlägig. Die Beklagte habe die Behauptung jedoch bestritten, so dass hierüber ggf. Beweis zu erheben gewesen wäre. Die Auffassung des LG, die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung sei nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Klageerhebung zu beurteilen, sei nicht richtig. Die von dem LG angeführten Entscheidungen des EuGH (EuGH v. 13.11.1979 – Rs. C-25/79, RIW 1980, 285) und des OLG Hamm (OLG Hamm RIW 2000, 382) seien auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. In beiden Fällen sei es um Gerichtsstandsvereinbarungen gegangen, die vor In-Kraft-Treten des EuGVÜ bzw. des LugÜ geschlossen worden seien, aber bereits alle Tatbestandsmerkmale des später geschaffenen Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ/LugÜ erfüllt hätten. Im vorliegenden Fall gehe es indes nicht um eine nachträgliche Veränderung der Rechtslage, sondern um eine mögliche nachträgliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse. Wenn zu dem Zeitpunkt des Abschlusses einer Gerichtsstandsvereinbarung alle Beteiligten ihren Wohnsitz bzw. Sitz im Inland gehabt hätten, sei bei einem späteren Wohnsitzwechsel in einen Mitgliedsstaat des LugÜ dieses für die Beurteilung der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nicht einschlägig. Anderenfalls könne eine Partei durch Veränderung der tatsächlichen Umstände, nämlich einen Wohnsitzwechsel, nachträglich einseitig die Wirksamkeit einer ursprünglich unwirksamen Gerichtsstandsvereinbarung herbeiführen.
Sollten der Kläger und die Drittwiderbeklagte zu 2) erster Instanz bereits im Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung ihren Wohnsitz in der Schweiz gehabt haben, so sei die Vereinbarung zwar gem. Art. 17 Abs. 1 LugÜ wirksam, würde aber für die Beklagte keinen ausschließlichen Gerichtsstand begründen. Gemäß Art. 17 Abs. 4 LugÜ behalte eine Partei, zu deren alleinigen Gunsten eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen wurde, das Recht, auch jedes andere Gericht anzurufen, das aufgrund des LugÜ zuständig sei. Die Zweifel des LG an der Anwendbarkeit des Art. 17 Abs. 4 LugÜ seien unbegründet. Für den Fall, dass D nicht nur postalisch, sondern auch rechtlich zu Italien gehören sollte, wäre auf Art. 17 Abs. 4 EuGVÜ und nicht auf Art. 23 EuGVVO abzustellen, da für die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung der Zeitpunkt ihres Abschlusses maßgebend sei. Selbst wenn man mit dem LG hinsichtlich der Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung auf den Zeitpunkt der Klageabhebung abstellen wollte, würde sich an diesem Ergebnis aufgrund der vom LG zitierten Rspr. des EuGH und des OLG Hamm nichts ändern, da nach der dort vertretenen Ansicht das Vertrauen der Parteien in die Wirksamkeit der von ihnen geschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung schutzwürdig sei und nicht durch nachträgliche Veränderung der Rechtslage beeinflusst werden könne. Vorliegend hätten die Parteien im Hinblick auf ihre gegenseitigen Ansprüche aus dem Unternehmenskaufvertrag wirksam eine einseitig fakultative Gerichtsstandsvereinbarung i.S.d. Art. 17 Abs. 4 LugÜ geschlossen, die nur den Kläger und die Drittwiderbeklagten erster Instanz, nicht j...