Leitsatz (amtlich)
Art. 8 Abs. 1 Buchst. b) und c) FluggastrechteVO gewähren dem Fluggast bei Annullierung eines Fluges aufgrund der Corona-Pandemie kein beliebiges, kostenfreies Umbuchungsrecht, das außerhalb jeden Zusammenhanges mit der ursprünglichen Reiseplanung steht.
Normenkette
FluggastrechteVO Art. 5, 8 Abs. 1 b), Abs. 1 c); UKlaG § 2
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 31 O 67/21) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 07.12.2021 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 67/21 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Dieses Urteil und das des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist ein in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener Verein, der sich der Durchsetzung von Verbraucherinteressen widmet. Die Beklagte ist ein Luftfahrtunternehmen. Die Parteien streiten im vorliegenden Hauptsacheverfahren zu dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren 31 O 85/20 LG Köln / 6 U 127/20 OLG Köln weiterhin um die Frage, ob die Beklagte nach Flugannullierungen von den Verbrauchern eine Zuzahlung für die Ersatzbeförderung/Umbuchung zum Wunschtermin verlangen kann.
Die Beklagte hat wegen der Corona-Pandemie zahlreiche Flüge annulliert, u.a. Flüge, von denen ihre Kunden Theo G. und Benjamin B. betroffen waren. Der Fluggast G. hatte einen Flug über Ostern für April 2020 gebucht. Er wünschte Ende März 2020 eine Umbuchung für November oder Dezember 2020 oder März 2021. Der Fluggast B. hatte einen Flug für den 27./29. März 2020 gebucht. Er wünschte Anfang April 2020 eine Umbuchung auf den 11./13. Juli 2020. Die Beklagte verlangte gegenüber beiden Kunden zunächst die Zahlung eines Aufpreises.
Der Kläger sieht in diesem Verlangen einen Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (FluggastrechteVO). Er nimmt die Beklagte nach erfolgloser Abmahnung auf Unterlassung und Erstattung vorgerichtlicher Kosten in Anspruch.
Der Kläger hat vorgetragen, dass die Auffassung des Senats im einstweiligen Verfügungsverfahren 6 U 127/20, wonach Art. 8 Abs. 1 lit. c) Fluggastrechte-V0 einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Buchung und Ersatzbeförderung verlange, unzutreffend sei. Bei der Auslegung des Art. 8 Abs. 1 lit. c) FluggastrechteVO sei unter anderem der Wortlaut der weiteren Sprachfassungen der FluggastrechteVO zu berücksichtigen, die schlicht auf den Wunsch des Fluggastes abstellten und keine Einschränkungen vornähmen. Die FluggastrechteVO ziele auch nicht lediglich auf einen Schutz während der jeweiligen Reise ab. Andernfalls ließe sich der Erstattungsanspruch aus Art. 8 Abs. 1 lit. a) FluggastrechteVO nicht erklären. Soweit sich die Beklagte im Verfügungsverfahren auf den unter www.bild.de veröffentlichten "Spar-Trick" berufen habe, setzte die vom Senat angenommene Missbrauchsgefahr voraus, dass ein Luftfahrtunternehmen Beförderungsverträge in der Absicht schließe, diese später überhaupt nicht zu erfüllen. Daraus, dass die Regelungen für den Fall der Nichtbeförderung und Verspätung auf einen möglichst reibungslosen Ablauf der konkreten Reise ausgelegt seien, folge gerade nicht, dass auch im Fall der Annullierung ein enger zeitlicher Zusammenhang zur Ersatzbeförderung bestehen müsse. Bei Verspätung und Nichtbeförderung befänden sich die Passagiere gewöhnlich noch am Flughafen und wünschten die Fortsetzung der Reise. Dagegen erfolgten Annullierungen häufig mit deutlich längerem zeitlichem Vorlauf. Entgegen der Rechtsansicht des Senats könne sich auch der freiwillig umbuchende Gast auf Art. 8 Abs. 1 lit. c) Fluggastrechte-VO berufen. Das Erfordernis eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen Buchung und Ersatzbeförderung lasse sich ferner nicht damit begründen, dass Art. 9 FluggastrechteVO Betreuungsleistungen bis zum neuen Abflug vorsehe. Insbesondere bestehe keine Gefahr, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen auf unbegrenzte Zeit zur Erbringung der Betreuungsleistungen nach Art. 9 FluggastrechteVO verpflichtet werde. Art. 9 FluggastrechteVO enthalte bereits entsprechende Korrektive hinsichtlich der Mahlzeiten und Erfrischungen sowie der Hotelunterbringung. Auch verfange der Vergleich des Senats mit den nationalen Regelungen zur vertraglichen Rückabwicklung und der Nacherfüllung nicht. So könnten beim Anspruch nach Art. 8 Abs. 1 lit. c) FluggastrechteVO Vertragspartner und Anspruchsberechtigter auseinanderfallen. Ferner würden die Auslegungsleitlinien der Kommission vom 18.03.2020 erkennen lassen, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Ausgangsflug und verlangter Ersatzbeförderung nur für den Anspruch nach Art. 8 Abs. 1 lit. b) FluggastrechteVO erforderlich sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Möglichkeit d...