Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtshaftung. Grundstückseigentum. Altlasten. Bebauungsplan
Leitsatz (amtlich)
1. Der Gemeinde obliegt bei der Aufstellung und Verabschiedung von Bebauungsplänen keine Amtspflicht zum Schutz vor Altlasten gegenüber denjenigen Eigentümern, deren Grundstücke schon bebaut waren und die eine weitere Bebauung nicht beabsichtigen.
2. Bei der Aufstellung eines Flächennutzungsplans kommt die Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht zu Lasten des Bauherrn durch Nichtausweisung von Altlasten nicht in Betracht, weil dieser Plan keine verbindlichen Festsetzungen enthält und somit keine „Verläßlichkeitsgrundlage” für Entscheidungen des Bauherrn darstellt.
3. Wird ein Grundstück zur gewerblichen Nutzung bebaut, so ist der Gewerbetreibende Dritter i.S.d. Rechtsprechung zur Amtshaftung für Altlasten nur insoweit, als er durch eigene Tätigkeit auf dem Betriebsgelände selbst einer Gesundheitsgefahr ausgesetzt ist, nicht jedoch, soweit lediglich sein Vermögensinteresse tangiert ist.
4. Derjenige, der ein Grundstück erst erwirbt, nachdem der frühere Eigentümer bereits eine Baugenehmigung beantragt und erhalten hat, gehört jedenfalls dann nicht zu dem Personenkreis, der im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens durch § 839 BGB bzw. § 39 OBG NW geschützt wird, wenn er zu dieser Zeit noch nicht in vertraglichen Beziehungen zum Eigentümer stand.
Normenkette
BGB § 839; OBG NW § 39
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 24.04.1990; Aktenzeichen 1 O 28/89) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung gegen das am 24. April 1990 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 1 O 28/89 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 27.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank erbracht werden.
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundbesitzes S., L. 137, der aus vier Parzellen – Flur 8 Nr. x – x – besteht. Zumindest teilweise befinden sich auf den Grundstücken Klärschlammablagerungen aus einer früher von der Beklagten betriebenen Kläranlage. Die Parzellen Nr. und x sind mit einer Werkhalle zum Zwecke der Fabrikation von Speiseeis und einem Eiscafe bebaut. Die Parzellen Nr. x und x sind unbebaut.
Die Klägerin macht geltend, der Boden der Grundstücke sei infolge der Klärschlammablagerungen nicht genügend tragfähig; an der Werkhalle seien erhebliche Risse aufgetreten; außerdem gehe von den Ablagerungen nicht nur ein übler Geruch, sondern auch eine Gesundheitsgefahr aus, und zwar insbesondere wegen hoher Methangaskonzentrationen. Die Beeinträchtigungen seien so erheblich, daß der Grundbesitz für sie praktisch wertlos sei. Sie verlangt von der Beklagten Schadensersatz, insbesondere weil diese eine Bebauung zugelassen und den Bereich der ehemaligen Kläranlage in der Bauleitplanung als gewerbliche Baufläche bzw. Industriegebiet ausgewiesen habe.
Die Klägerin hat den Grundbesitz aufgrund Vertrages vom 19.12.1985 von den Eheleuten Z. zum Preis von 520.000,00 DM (zuzüglich 480.000,00 DM für mitverkaufte bewegliche Sachen) erworben. Die Eheleute Z. und ein damals noch beteiligter Herr L. hatten die Grundstücke durch Verträge aus 1978, geändert 1980, von der Beklagten gekauft. Sie hatten sich zur gewerblichen Bebauung binnen zwei Jahren ab Erwerb verpflichtet. Die Beklagte behielt sich für den Fall der Nichterfüllung dieser Pflicht die Rückübertragung vor, zu deren Sicherung Auflassungsvormerkungen im Grundbuch eingetragen wurden.
Am 27.02.1980 erteilte die Beklagte die Baugenehmigung für den Neubau einer Werkhalle zur Herstellung von Speiseeis mit Eiscafe. Das Gebäude wurde 1980 auf den Parzellen Nr. und x errichtet. Ein Bebauungsplan existierte damals noch nicht. Jedoch trat 1980 ein Flächennutzungsplan in Kraft, der das betreffende Gebiet als gewerbliche Baufläche auswies.
Ende 1983 faßte der Rat der Beklagten den Beschluß, den Bebauungsplan aufzustellen. Dieser ist seit Anfang 1985 rechtsverbindlich. Er sieht die industrielle Nutzung des hier in Rede stehenden Gebiets vor. In der Planbegründung (Anlage K 14) heißt es u.a.:
„Nicht mehr benötigte Teilflächen der Kläranlage sollen durch die Festsetzung „Industriegebiet” (GI) einer baulichen Nutzung zugeführt werden, um auf diese Weise die Ansiedlung entsprechender Betriebe zu ermöglichen.”
Die Klägerin hat sich vor ihrem Erwerb über die Existenz eines Bebauungsplanes nicht vergewissert. Sie hat diesen nicht eingesehen und wußte nicht, daß ein Bebauungsplan existierte.
Unter dem 31.07.1984 teilten die Eheleute Z. der Beklagten mit, daß es ihnen aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich sei, in den nächsten Jahren die Parzellen Nr. x und x zu bebauen; sie äußerten deshalb den Wunsch, die...