Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 22 O 117/18)

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts A vom 1. März 2018 und 2. November 2019 über die Ausschließung der Klägerin aus wichtigem Grund nichtig sind.

2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin das Unternehmen ("Praxis" - Rechtsanwaltskanzlei) der Gesellschaft bürgerlichen Rechts A ab dem 1. Januar 2020 einschließlich allein fortführt.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Beklagten tragen die Kosten der Berufungsverfahren.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Laut Anlage gemäß § 3 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrages in der Fassung vom 30.09./15.11.2014 (nachfolgend: GV) waren Gesellschafter der Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts A (nachfolgend: GbR) mit 65% der Beklagte zu 1, mit 5% der Beklagte zu 2, mit 20% die Klägerin und mit 10% Rechtsanwalt B. Die GbR ist eine überörtliche Sozietät von Rechtsanwälten zum Zwecke der gemeinschaftlichen Berufsausübung auf den Gebieten des Insolvenzwesens und der Beratung im Zusammenhang mit der Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen, die 2017 Büros u.a. in C, D und E unterhielt.

Die Gesellschafter der GbR haben den Status eines "Sozius" oder eines "Partners" (§ 3 Ziffer 1 GV). Die Gesellschaft hat einen Sozietätsausschuss, der gemäß § 12 Ziffer 1 und 2 GV aus den Parteien sowie B als geborenen Mitgliedern bestand. § 10 GV lautet u.a. wie folgt:

"...

5. Die Gesellschafterbeschlüsse, auch die formlos gefassten, sind zu protokollieren und von allen Mitgliedern des Sozietätsausschusses (§12) zu unterzeichnen. Jedem Gesellschafter ist eine Kopie der Protokolle zuzuleiten.

6. Die Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen kann nur innerhalb eines Monats klageweise geltend gemacht werden. Die Frist beginnt mit dem Tag des Zugangs des Protokolls zu laufen.

..."

§ 19 GV regelt das Ausscheiden bei Ausschluss eines Gesellschafters und die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis. Die Bestimmung hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"1. Ein Gesellschafter kann durch Beschluss seiner Mitgesellschafter, der mit den Mehrheiten gemäß § 11 zu fassen ist, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn

a) in seiner Person ein wichtiger Grund gegeben ist, ...

...

2. Statt des Ausschlusses kann dem betroffenen Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnis entzogen werden.

3. Der betroffene Gesellschafter hat kein Stimmrecht. Seine Stimmen zählen nicht mit."

§ 20 GV regelt das Ausscheiden bei Kündigung eines Gesellschafters und lautet auszugsweise wie folgt:

"...

2. Jeder Sozius und jeder Partner kann seine Mitgliedschaft in der Gesellschaft unter Einhaltung einer Frist von 12 Monaten zum Ende eines jeden Kalenderjahres, erstmals mit Wirkung zum 31.12.2015 kündigen.

...

4. Liegt ein wichtiger Grund in der Mehrheit der Personen der übrigen Gesellschafter vor, kann der berechtigte Gesellschafter die Mitgliedschaft in der Gesellschaft fristlos kündigen.

5. Durch die Kündigung wird die Gesellschaft nicht aufgelöst. Der kündigende Gesellschafter scheidet aus der Gesellschaft aus."

§ 22 GV regelt die Folgen des Ausscheidens eines Gesellschafters und sieht vor, dass seine Beteiligung bei Fortführung der GbR den übrigen Gesellschaftern anwächst, sofern diese nicht innerhalb von drei Monaten nach Ausscheiden mit den Mehrheiten des § 11 GV die Auflösung der Gesellschaft beschließen. Weiter heißt es:

"...

3. Bleibt nur ein Gesellschafter zurück, kann dieser innerhalb der in Abs. 2 genannten Frist erklären, die Praxis allein fortführen zu wollen."

Nach § 11 Ziffer 1 GV bedürfen Änderungen des Gesellschaftsvertrages der Mehrheit von mindestens 85% der abgegebenen Stimmen der Sozien und 50% der abgegebenen Stimmen der Partner. Soweit die Änderung wesentliche Rechte und Pflichten der Gesellschafter, namentlich der Bestand der Gesellschaft oder den Inhalt von Mitgliedschaftsrechten betrifft, ist ein einstimmiger Beschluss erforderlich (§ 11 Ziffer 1 a GV). Nach § 9 Ziffer 3 GV ist die Gesellschafterversammlung beschlussfähig, wenn sie ordnungsgemäß eingeladen ist und Gesellschafter mit einer Beteiligung von mindestens 85% anwesend sind.

Die Klägerin ist die geschiedene Ehefrau des Beklagten zu 1. Dem Scheitern der Ehe, der drei Kinder entstammen, folgten jahrelange Auseinandersetzungen unter den Gesellschaftern, die in eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten u.a. über die Wirksamkeit der von den Beklagten und B betriebenen Ausschließung der Klägerin aus der GbR mündeten.

Nachdem die Beklagten Ende Juli 2017 ohne vorherige Information der Klägerin Mitarbeitern des später geschlossenen Standorts der GbR in E gekündigt hatten, sprach Rechtsanwalt B, der seiner Tätigkeit für die...

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