Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansprüche nach Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages
Leitsatz (amtlich)
1. Nach wirksamen Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages kann der Darlehensnehmer vom Darlehensgeber gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB a.F. die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen der widerleglich vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen verlangen, der bei Immobiliardarlehensverträgen in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz widerleglich vermutet wird. Eine Widerlegung durch Vortrag zur Verwendung der konkret bezogen auf die aus dem jeweiligen Darlehensvertrag erwirtschafteten Mittel erfolgt weder durch Vortrag zu den Einstandssätzen für das Refinanzierungsgeschäft sowie zur Berechnung eines Margenbarwertes, noch durch Ausführungen zu der aus den Geschäftsberichten der Bank ersichtlichen allgemeinen Umsatzrendite.
2. Der Darlehensgeber hat demgegenüber nach Widerruf gegenüber dem Darlehensnehmer grundsätzlich Anspruch auf Nutzungsersatz in Höhe des Vertragszinses (§ 346 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BGB) bis zur vollständigen Rückführung der Darlehensvaluta. Zum Nachweis eines geringeren Gebrauchsvorteils (§ 346 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB) ist auf die Verhältnisse zur Zeit des Vertragsschlusses und gegebenenfalls vertraglich vereinbarter Zinsanpassungen abzustellen, wogegen es auf das allgemeine Marktniveau mangels einer dynamischen Betrachtungsweise nicht ankommt.
3. Daraus, dass der Darlehensnehmer die Darlehensvaluta zur Finanzierung einer Wohnimmobilie genutzt hat, kann kein höherer Nutzungswertanspruch wegen ersparter Mietaufwendungen hergeleitet werden, da es sich nur um einen mittelbar durch Nutzung der Valuta erlangten Vorteil handelt, der zudem bei wirtschaftlicher Betrachtung als in der Position des Nutzungsersatzes in Höhe des Vertragszinses aufgehend zu bewerten ist.
Normenkette
BGB §§ 346, 355, 495
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen O 456/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 16.05.2017, Az. 3 O 456/16 teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung wie folgt neugefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Mitgläubiger 9.316,30 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.09.2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Kläger zu 91% und die Beklagte zu 9%. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu 80 % und die Beklagte zu 20 %.
Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert:
bis zum 20.09.2017: bis 125.000,00 EUR
ab dem 21.09.2017: 25.424,83 EUR
Gründe
I. Die Parteien streiten über Ansprüche aufgrund eines von den Klägern durch Schreiben vom 14.04.2016 (Anl. MK4, Bl. 34 f. d.A.) erklärten Widerrufs ihrer auf den Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen vom 10.07.2007. Der Darlehensvertrag diente der Finanzierung des Erwerbs eines Einfamilienhauses. Es handelte sich um ein Darlehen über ursprünglich 100.000 EUR zu einem Nominalzinssatz von 5,25 % p.a., fest bis 30.09.2022 (Darlehensnummer 6xx78xx, Darlehensantrag Anl. MK3, Bl. 26 - 33 d.A.).
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrages sowie wegen der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Kläger seien ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung. Sie wiederholen und vertiefen ihren Vortrag zu den ihrer Ansicht nach vorliegenden Belehrungsfehlern.
Mit der Berufungsbegründungsschrift vom 22.08.2017, bei Gericht eingegangen am 23.08.2017, haben die Kläger zunächst angekündigt, zu beantragen,
in Abänderung des angefochtenen Urteils
1. festzustellen, dass sich auf Grund des Widerrufs der Kläger vom 14.4.2016 der zwischen ihnen bestehende Darlehensvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt habe;
2. für den Fall, dass der Antrag zu 1) Erfolg hat, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihnen sämtlichen materiellen Schaden zu ersetzen, welcher sich für sie daraus ergebe, dass die Beklagte ihrer Pflicht zur Rückabwicklung des Darlehensverhältnisses nicht nachgekommen sei (vielmehr den Widerruf als unbegründet zurückgewiesen habe und bis heute Vertragsfortsetzung verlange).
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.954,46 EUR zu zahlen.
Nach Berufungseinlegung lösten die Kläger das Darlehen sodann am 31.10.2017 ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung vollständig ab.
Sie sind bezugnehmend auf vorgelegte Berechnungen (Anl. MK6, Bl. 191-194) der Ansicht, nach vollständiger Ablösung Nutzungsersatz in Höhe von 11.840 EUR sow...