Verfahrensgang
AG Freising (Aktenzeichen 4 F 198/23) |
Tenor
1. Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freising vom 27.04.2023, Az.: 4 F 198/23, wird aufgehoben.
2. Für das Beschwerdeverfahren werden keine Gerichtskosten erhoben. Die außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsteller sind seit 01.12.2014 verpartnerte Lebenspartner.
Das betroffene Kind wurde am 26.12.2022 von einer Leihmutter im Bundesstaat Kalifornien, der weiteren Beteiligten, ausgetragen.
Durch Beschluss des Obersten Gerichts des Bundesstaats Kalifornien für den Bezirk Los Angeles vom 21. November 2022, Fall-Nr. ...49, wurde den Antragstellern die ausschließliche Elternschaft für dieses Kind einschließlich der elterlichen Sorge zuerkannt. Sie beantragen die Anerkennung dieser Entscheidung gem. § 108 Abs. 2 FamFG.
Durch abstammungsgenetisches Privatgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der L.-M.-U. München vom 24.05.2023 wurde festgestellt, dass der Antragsteller zu 2) aufgrund einer biostatistischen Wahrscheinlichkeitsberechnung als Vater des betroffenen Kindes anzusehen ist.
Durch Beschluss vom 27.04.2023 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Freising für das betroffene Kind Ergänzungspflegschaft angeordnet und als Ergänzungspfleger Herrn Rechtsanwalt T.-J. bestellt. Der Beschluss ist auf § 1809 BGB gestützt. Er wurde den Antragstellern am 03.05.2023 zugestellt. Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde vom 01.06.2023.
Die Beschwerdeführer beantragen, die Anordnung der Ergänzungspflegschaft aufzuheben. Es bestehe kein Grund, dass sie an der Vertretung des betroffenen Kindes im Anerkennungsverfahren verhindert sind.
Der Berichterstatter des Senats hat die Beteiligten durch Verfügung vom 14.06.2023 darauf hingewiesen, dass der Senat die Beschwerde nach Aktenlage für zulässig und begründet hält.
Zu dem Hinweis haben sich die Beschwerdeführer im Wesentlichen insoweit geäußert, als sie sich dagegen wenden, dass die kalifornische Leihmutter als Beteiligte zum Verfahren hinzuzuziehen sein wird.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Für das Anerkennungsverfahren sind aufgrund der Sorgerechtsentscheidung des Obersten Gerichts des Bundesstaats Kalifornien beide Antragsteller als Sorgeberechtigte und damit Vertretungsberechtigte des beteiligten Kindes anzusehen, solange im Anerkennungsverfahren kein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public gemäß §§ 108, 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG oder ein sonstiges Anerkennungshindernis festgestellt wird. Hierin liegt keine unzulässige Vorwegnahme des Ergebnisses des Hauptsacheverfahrens. Auch wenn die Anerkennung einer in Abstammungssachen ergangenen Entscheidung gem. § 108 Abs. 2 FamFG beantragt wird, ist für das Abstammungsverfahren nicht von der Hypothese auszugehen, dass die Entscheidung nicht anerkennungsfähig ist. Der BGH hat ausgeführt, dass vielmehr zu unterstellen ist, dass die Personen, denen das betroffene Kind durch die ausländische Entscheidung, deren Anerkennung beantragt wird, zugeordnet wurde, auch rechtliche Eltern des Kindes sind (BGH FamRZ 2018, 1846 für die Vertretung der Kinder bei der im Verfahren durchgeführten Abstammungsuntersuchung). Ob eine andere Entscheidung angemessen wäre, wenn erhebliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Entscheidung aufgrund eines Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public nicht anerkennungsfähig ist (§ 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG), kann offen gelassen werden; denn solche Anhaltspunkte sind nach Aktenlage nicht ersichtlich.
Die Beschwerdeführer sind nicht gemäß §§ 1629 Abs. 2, 1824 BGB von der Vertretung des beteiligten Kindes ausgeschlossen.
Das Anerkennungsverfahren gemäß §§ 108, 109 FamFG in Abstammungssachen stellt keinen Rechtsstreit im Sinn von § 1824 Abs. 1 Nr. 3 BGB dar. Die Vorschrift betrifft Rechtsstreitigkeiten in Angelegenheiten gemäß § 1824 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB sowie echte Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Grüneberg/Götz, BGB, 82. Auflage 2023, § 1824 Rn. 5 m.w.N.). Hierzu gehören die Abstammungssachen und Verfahren wegen Anerkennung einer in Abstammungssachen ergangenen Entscheidung eines ausländischen Gerichts nicht.
Für das Anerkennungsverfahren besteht auch kein Vertretungsausschluss gemäß §§ 1824 Abs. 2, 181 BGB. § 181 BGB hat die Vertretung bei Rechtsgeschäften, nicht aber die Durchführung eines Anerkennungsverfahrens zum Gegenstand.
Ein Vertretungsausschluss lässt sich auch nicht auf einen Interessengegensatz gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1789 Abs. 2 Satz 3 und 4 BGB stützen. Der Entzug der elterlichen Sorge gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 3 BGB setzt voraus, dass aufgrund konkreter Umstände des Einzelfalls ein erheblicher Interessengegensatz zwischen den Interessen des Kindes und denen seiner gesetzlichen Vertreter zu besorgen ist (Grüneberg/Götz a.a.O., § 1629 Rn. 15, 16). Solche Umstände sind nicht ersichtlich. Vielmehr sind die statusrechtlichen Interessen der Antragsteller...