Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligung am Erbscheinserteilungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Auf Antrag hat eine Beteiligung am Erbscheinserteilungsverfahren zu erfolgen, wenn das Bestehen eines Erbrechts nicht von vornherein gänzlich fernliegend erscheint.

Ob ein Erbrecht tatsächlich besteht, ist erst nach förmlicher Beteiligung am Verfahren abschließend zu klären.

 

Normenkette

BGB § 2087; FamFG §§ 345, 345 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, S. 1 7, § 7 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 19.05.2016; Aktenzeichen 67 VI 8910/14)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers... wird der Beschluss des AG München vom 19.05.2016 in Ziffer 2 aufgehoben. Der Beschwerdeführer wird am Verfahren beteiligt.

2. Das Verfahren wird zur Durchführung des weiteren Verfahrens, insbesondere über die Beschwerden gegen den Beschluss vom 19.05.2016 in Ziffern 1 und 4, an das AG München - Nachlassgericht - zurückgegeben.

 

Gründe

I. Das Nachlassgericht hat über die Erbfolge nach dem Erblasser... zu befinden. Maßgeblich für diese Erbfolge ist möglicherweise das Testament des Erblassers vom 05.09.2009.

In diesem Testament heißt es auszugsweise:

"Ferner ist mein Wille, dass Herr... Wohnung nach Wahl von 4 erhält, die das "lebenslange" Wohnrecht gewährleistet."

Gestützt auf diese Verfügung beantragte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 21.04.2016 seine förmliche Beteiligung am Verfahren. Er ist der Meinung, dass er als Erbe in Betracht kommt.

Das Nachlassgericht wies diesen Antrag mit dem angefochtenen Beschluss zurück. Es ist der Ansicht, dass Erbe die Landeshauptstadt München ist und der Beschwerdeführer mithin weder als gesetzlicher noch als testamentarischer Erbe in Betracht komme, vielmehr sei er (nur) Vermächtnisnehmer. Ein solcher habe jedoch keinen Anspruch, am Verfahren beteiligt zu werden.

II. Die sofortige Beschwerde erweist sich in der Sache als begründet. Zu Unrecht hat das Nachlassgericht davon abgesehen, den Beschwerdeführer am Verfahren zu beteiligen.

1. Am Nachlassverfahren sind gemäß §§ 7, 345 FamFG diejenigen Personen zu beteiligen, die entweder einen Antrag gestellt haben (§§ 7 Abs. 1, 345 Abs. 1 S. 1 FamFG), deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird (§ 7 Abs. 2 FamFG) und diejenigen, die als sog. Kann-Beteiligte im Sinne des § 345 Abs. 1 S. 2 FamFG einen Antrag auf Hinzuziehung gestellt haben (§ 345 Abs. 1 S. 3 FamFG).

Soweit eine Hinzuziehung nach § 345 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 FamFG in Rede steht, sind auch diejenigen zu beteiligen, die (nur) mittels Auslegung oder nur in einer aufgehobenen Verfügung Erben sein können (Keidel/Zimmermann FamFG 18. Auflage 2014, § 345 Rn. 20).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat der Ansicht, dass der Beschwerdeführer am vorliegenden Verfahren zu beteiligen ist.

a) § 345 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 FamFG definiert selbst das Tatbestandsmerkmal "als Erben in Betracht kommen" nicht. Auch aus der Gesetzesbegründung lassen sich insoweit keine Anhaltspunkte für die Auslegung der Norm entnehmen. Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, der Sicherstellung der Gewährung rechtlichen Gehörs (Poller in: NK-Nachfolgerecht 1. Auflage 2015 § 345 Rn. 7), ergibt sich, dass eine Beteiligung immer dann zu erfolgen hat, wenn das behauptete Recht nicht von vornherein gänzlich fernliegend ist, wobei eine abschließende rechtliche Würdigung an dieser Stelle nicht erfolgt. Ein derartiges Verständnis der Norm findet auch im Wortlaut selbst eine Stütze. Die Formulierung "in Betracht kommen" impliziert gerade, dass bei der Bestimmung des Personenkreises der Beteiligten noch keine abschließende Würdigung des materiellen Erbrechts erfolgen soll. Dies entspricht auch den allgemein anerkannten Grundsätzen über die Behandlung doppelt relevanter Tatsachen im Rahmen des § 59 Abs. 1 FamFG: Für die Frage der Beschwerdebefugnis ist bei sog. doppelt-relevanten Tatsachen anerkannt, dass es für die Zulässigkeit der Beschwerde ausreicht, wenn die Möglichkeit einer Rechtsbeeinträchtigung besteht; die endgültige Klärung der Frage, ob der Beschwerdeführer in eigenen subjektiven Rechten verletzt ist, ist hingegen erst im Rahmen der Begründetheit der Beschwerde zu prüfen (BGH NJW 1994, 1413; Horn in: NK-Nachfolgerecht 1. Auflage 2015 § 59 FamFG Rn. 5). Hintergrund dessen ist, dass nicht auf vorgelagerter Ebene Fragen entschieden werden sollen, für die u.U. erst noch eine Beweisaufnahme durchgeführt werden muss. Überträgt man diese Grundsätze auf die vorliegende Konstellation, ist bei Auslegung des Tatbestandsmerkmals "in Betracht kommen" die (jedenfalls) nicht fernliegende Möglichkeit des Bestehens eines Erbrechts ausreichend.

b) Soweit sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall darauf beruft, er sei testamentarischer Erbe geworden, ist eine derartige Auslegung des Testament nicht von vornherein völlig ausgeschlossen. Für sie lässt sich immerhin die Rechtsprechung der Obergerichte, wonach die Zuwendung eines wesentlichen Vermögensgegenstands, zumal einer Immobilie, eine Erbeinsetzung darstellen kann (z...

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