Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung eines Testaments, in dem die Erblasserin über zwei Gebäude, die in einem ungeteilten Grundstück errichtet wurden, verfügt hat und zudem nur Einzelnen mit einem Gebäude bedachten den Rest ihres Vermögen zuwendet, das nach Auskehrung von Geldbeträgen verbleibt.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2087 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Ebersberg (Beschluss vom 06.08.2015; Aktenzeichen VI 0034/14)

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 23.11.2016; Aktenzeichen 1 BvR 2555/16)

 

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des AG Ebersberg vom 06.08.2015 wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführer tragen die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 und 2.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 154.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die am 31.10.2013 verstorbene Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Die Erblasserin hinterließ ein handschriftliches Testament vom 23.12.2012 mit folgendem Wortlaut:

Mein letzter Wille.

Mein Haus mit Inventar in der... vererbe ich an das Ehepaar...(mein Firmpatenkind),...

Mein Haus in der..., vererbe ich an das Ehepaar... Sie wohnen im Haus.

Innerhalb von 10 Jahren dürfen die Häuser nicht verkauft werden. Es wäre schön, wenn ein Familienmitglied die Häuser bewohnen würde.

Mein (Firmpatenkind)... erbt EUR 20.000,-.

Frau... erbt ebenfalls EUR 20.000,-.

Je EUR 10.000,- erbt...

EUR 10.000,- erbt...

EUR 10.000.- erbt...

EUR 10.000,- erbt...

EUR 10.000,- erbt...

EUR 10.000,- erbt...

EUR 10.000,- erbt...

EUR 5.000,- erbt...

EUR 5.000,- erbt...

EUR 5.000,- erbt...

Sollte ich mein altes Auto (Corsa) noch besitzen, erbt es...

Die Sparbücher können für das Erbe verwendet werden. Den Rest meines Vermögens erhält das Ehepaar...

Eine Bedingung: Nicht benötigtes Inventar darf nicht verkauft werden, sondern nur verschenkt werden an Verwandte, gute Freunde, Nachbarn u. an den katholischen Flohmarkt.

Allen danke ich für alles Gute und für die Hilfe, welche ich erfahren durfte.

Eine ganz große Bitte hätte ich, keinen Erbstreit! Mit einer gütigen Aussprache können alle evtl. Probleme gelöst werden. Das Testament darf nicht angefochten werden. Für die Erfüllung meiner Bestimmungen danke ich im Voraus und wünsche meinen Erben alles Gute mit letzten Grüßen.

... geb,...

Bei der im ersten Satz genannten Beteiligten zu 1 handelt es sich um eine Großnichte der Erblasserin, der Beteiligte zu 2 ist ihr Mann. Bei den Beschwerdeführern handelte es sich um Mieter der Erblasserin des im 2. Satz des Testaments genannten Hauses.

Im Nachlass befindet sich ein ungeteiltes Grundstück, das mit zwei Gebäuden bebaut ist. In einem Gebäude (E-straße) wohnte die Erblasserin bis zu ihrem Tode, das andere Gebäude war an die Beschwerdeführer vermietet. Das Nachlassgericht hat durch Sachverständigengutachten ermittelt, dass die Gebäude auf dem Grundstück Werte von 173.000 EUR (E-Straße) bzw. 70.000 EUR (P-Straße) aufweisen. Darüber hinaus befindet sich Barvermögen im Nachlass, das nach den Feststellungen des Nachlassgerichts ca. 330.000 EUR ausmacht.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben einen Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins gestellt, der sie als Miterben zu je 1/2 ausweist, die Beschwerdeführer einen Erbschein, der sie zu Erben zu je 1/4 neben den Beteiligten zu 1 und 2 ausweist.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 21.07.2015 die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Beteiligten zu 1 und 2 zu je 1/2 angekündigt und die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses ausgesetzt. Über den Erbscheinsantrag der Beschwerdeführer vom 18.02.2014 ist im Tenor des angefochtenen Beschlusses keine ausdrückliche Entscheidung ergangen. Der am 09.09.2015 eingelegten Beschwerde hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 11.09.2015 nicht abgeholfen.

II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach Auffassung des Senats erweist sich die Entscheidung des Nachlassgerichts im Ergebnis als richtig.

1. Das Testament vom 23.12.2012 enthält keine eindeutigen Anordnungen und war daher auszulegen. Bei der Testamentsauslegung gemäß § 133 BGB kommt es auf den wirklichen Willen des Erblassers an, ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (BGH ZEV 1997, 376 FamRZ 2012, 26; Leipold in MüKo/BGB, 6. Auflage [2013] § 2084 Rn. 1; Fleindl in: NK-Erbrecht 4. Auflage [2014] § 2084 Rn. 3). Auch vom Erblasser falsch verwendete Wortbedeutungen sind der Auslegung zugänglich, so wenn der Erblasser mit dem Begriff "erben" die Zuwendung eines Vermächtnisses verbindet bzw. umgekehrt mit dem Begriff "vermachen" eine Erbeinsetzung verbindet (Staudinger/Otte BGB [2013] Vorbemerkung zu § 2064 Rn. 58). Dies ergibt sich schon aus der Zweifelsregelung des § 2087 BGB. Ziel der Testamentsauslegung ist die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte (BGH ZEV 2002, 20; BayObLG ZEV 1994, 377/378; Leipold in: MüKo/BGB a.a.O. Rn. 8). Hat ein Erblasser nicht ausdrücklich einen oder mehrere Erben eingesetzt oder legt die Bezeichnung als Erbe aufgrund sonstiger Umstände den Schluss nahe, dass sie nicht im rechtlich zutre...

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