Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 17 HK O 22516/14) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 11.05.2017, Az. 17 HKO 22516/14, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist in Ziff. II. vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch sowie die Erstattung von Abmahnkosten wegen angeblich wettbewerbswidriger Werbung geltend.
Die Klägerin ist die Berufsvertretung der Apotheker im Bezirk N.
Die Beklagte ist eine Betriebskrankenkasse mit bundesweiten Mitgliedern und Geschäftsstellen.
In der Ausgabe von Oktober 2014 des von der Beklagten herausgegebenen Mitgliedermagazins "SBK L." war ein Flyer der DocM. N.V. eingelegt, auf dessen Deckblatt wie folgt geworben wurde:
"TESTEN SIE UNS - JETZT REZEPT EINSENDEN
Und 10 Euro-Gutschein erhalten. Gilt auch bei der Einsendung einer Rezeptkopie.
10,- EURO-Gutschein sichern" (vgl. Anlage K 1).
Nach den Teilnahmebedingungen sollten Kunden, die ihr Rezept oder eine Rezeptkopie zusammen mit dem Teilnahmecoupon einlösten, einen Gutschein über 10,- EUR erhalten, den sie bis zum 31.03.2015 bei einer Bestellung rezeptfreier Produkte ab einem Bestellwert von 40,- EUR einlösen konnten (vgl. Anlage K 1).
Das Landgericht hat die Beklagte unter vollständiger Stattgabe der Klage mit Endurteil vom 11.05.2017 dazu verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
gegenüber ihren Mitgliedern für ein Bonusmodell der Versandapotheke DocM.N.V., bei dem der Endverbraucher in Deutschland einen 10,- EUR-Gutschein für die Einlösung eines Rezeptes angeboten und/oder gewährt bekommt, zu werben, insbesondere durch die Übersendung eines Werbeflyers wie in Anlage K 1 wiedergegeben.
Weiterhin hat das Landgericht der Klägerin einen Abmahnkostenerstattungsanspruch in Höhe von 1.168,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 04.12.2014 zugesprochen.
Zur Begründung hat das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, ausgeführt:
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2; 3 a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG a.F.) i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG begründet. § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG sei im vorliegenden Falle anwendbar. Mit dem Verbot aller nicht explizit erlaubter Werbegaben solle nach dem Zweck des Gesetzes der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Endverbraucher vorgebeugt werden, wodurch das gesundheitspolitische Anliegen verfolgt werde, sicherzustellen, dass der umworbene medizinisch nicht gebildete Verbraucher Heilmittel nur nach Bedarf anwende und ein durch Werbegeschenke induzierter und vielfach gesundheitsgefährdender Zuviel- oder Fehlgebrauch von Heilmitteln verhindert werde. Dabei sei dieser Schutz nach dem Gesetzeswortlaut beschränkt auf die Gewährung von anderen Werbegaben als Rabatten, da § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG solche bei nicht preisgebundenen Arzneimitteln und allen sonstigen Heilmitteln unbegrenzt gestatte. Dies bedeute, dass der Gesundheitsschutz an die vermeintliche Verfälschung des Leistungswettbewerbs durch bestimmte Formen der Wertreklame gebunden sei, die den Verbraucher durch Verschleierung des Preises womöglich irreführen oder sonst zu unsachlichen und nicht ökonomisch fundierten Kaufentscheidungen motivieren könnte. Dagegen sei der potentielle Mehrabsatz von Heilmitteln infolge günstiger Preise Ausdruck des vom Gesetzgeber bei nicht preisgebundenen Heilmitteln explizit gewünschten Preiswettbewerbs.
Ausgehend von der aktuellen Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 19.10.2016, Az.: C-148/15) könne § 7 HWG nur dann gegen das Unionsrecht verstoßen, wenn dieser Zuwendungen allein deshalb verbiete, weil sie gegen das Arzneimittelpreisrecht verstießen, weil dann bei zwischenstaatlichem Bezug die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV verletzt würde, also die Regelungen in § 7 HWG denselben Zwecken dienen würden, wie das Arzneimittelpreisgesetz. Dies bedeute aber nicht, dass § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG auf die vorliegend streitgegenständliche Werbung nicht anwendbar sei. Denn aus dem Kontext des EuGH-Urteils (vom 19.10.2016, Az.: C-148/15) lasse sich insgesamt eine Aussage zur Vereinbarkeit von § 7 Abs. 1 HWG mit der Warenverkehrsfreiheit nur dahingehend entnehmen, als darin spezifische nationale, an die Verletzung des deutschen Arzneimittelpreisrechts anknüpfende Verbote normiert seien. Auf die Richtlinie 2001/83/EG gehe der Gerichtshof in seiner Entscheidung nicht ein. Es sei nicht anzunehmen, dass der EuGH mit seiner Entscheidung eine pauschale Aussage zur Auslegung der Werbenormen des Gemeinschaftskodex habe treffen wollen, ohne dabei die Richtlinie erwähnt ...