Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltsvergütung im Musterverfahren nach KapMuG
Leitsatz (amtlich)
Im Musterverfahren vor dem OLG bestimmt sich der Wert der Anwaltsgebühren nach dem im Ausgangsverfahren erhobenen Anspruch, § 23 b RVG. Allerdings sollen nach § 16 Nr. 13 RVG das Ausgangsverfahren und der erste Rechtszug des Musterverfahrens gebührenrechtlich eine "Angelegenheit" bilden, sodass der Anwalt die Gebühr nur einmal fordern kann (§ 15 Abs. 2 RVG). Im Musterverfahren kann der Rechtsanwalt daher lediglich solche Gebühren verlangen, die ihm nicht ohnehin aus dem Ausgangsverfahren zustehen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Normenkette
RVG § 15 Abs. 2, § 16 Nr. 13, § 23b
Tenor
I. Die (sieben) sofortigen Beschwerden des Klägers gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 07.02., 09.02. und 21.02.2023 werden zurückgewiesen.
II. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten sowie die sofortigen Beschwerden der genannten Streithelfer werden die Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 07.02. (betreffend Streithelfer ...), 09.02. (betreffend Beklagte und Streithelfer ... sowie Streithelferin ...) und vom 21.02.2023 (betreffend Streithelfer ... und ...) dahingehend abgeändert bzw. ergänzt, dass über die dort festgesetzten Beträge hinaus vom Kläger jeweils eine Terminsgebühr in Höhe von brutto EUR 588,33 nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit dem im jeweiligen Festsetzungsbeschluss genannten Zeitpunkt zu erstatten ist.
III. Der Kläger trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.
IV. Die Beschwerdewerte werden festgesetzt wie folgt:
1.) Der Wert der Beschwerden des Klägers
- gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse III (Streithelfer ...), VII (Beklagte) und IV (Streithelfer ...) auf jeweils EUR 882,16;
- gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse I und II (Streithelfer ... und Streithelfer ...) auf EUR 950,23;
- gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss VI (Streithelferin ...) auf EUR 928,69;
- gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss V (Streithelferin ...) auf EUR 650,00.
2.) Der Wert der Beschwerden sowohl der Beklagten wie auch der Streithelfer auf jeweils bis zu EUR 500,00.
Gründe
I. Die Beteiligten der Beschwerdeverfahren streiten um Entstehung und Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren aus einem Verfahren nach dem KapMuG, das nach Abschluss des Musterverfahrens infolge der Erhebung einer Rechtsbeschwerde auch beim BGH anhängig war und von dort an das Gericht des erstinstanzlichen Musterverfahrens zurückverwiesen wurde.
Der Kläger hat - zusammen mit einer Reihe weiterer Anleger - die Beklagte mit Schriftsatz vom 26.08.2010 auf Schadensersatz im Zusammenhang mit unterlassenen/bzw. fehlerhaften ad-hoc Informationen in Anspruch genommen. Mit Schriftsatz vom 21.12.2010 verkündete die Beklagte den späteren Streithelfern zu 1)-8), bei denen es sich um ihre Vorstandsmitglieder in dem streitgegenständlichen Zeitraum handelt, den Streit; sämtliche Streitverkündungsempfänger traten in der Folgezeit dem Rechtsstreit bei.
Mit Beschluss vom 08.02.2011 setzte das Landgericht das Verfahren gemäß § 7 KapMuG aus. Gerichtstermine wurden in diesem Ausgangsverfahren nicht mehr anberaumt. Das anschließende erstinstanzliche Musterverfahren vor dem OLG München - Kap. 3/10 endete durch Musterentscheid vom 15.12.2014, mit dem die Klage abgewiesen wurde; in diesem Verfahren fanden im Jahr 2014 mehrere Termine vor Gericht statt. Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers hin verwies der BGH mit Beschluss vom 17.12.2020 - II ZB 31/14 das Musterverfahren an das OLG zurück; auf den Teil-Rechtskraftvermerk des OLG München vom 28.02.2022, Anlage B 11, wird Bezug genommen.
Am 11.04.2022 beantragte der Kläger den Streitwert für die Nebenintervenienten gemäß § 33 Abs. 1 RVG auf jeweils nur EUR 1.000,00 festzusetzen: Diesbezüglich sei auf das wirtschaftliche Interesse des jeweiligen Streithelfers abzustellen; diese könnten eine auf sie entfallende Schadensquote ohne Zweifel tragen. Das Landgericht wies diesen Antrag mit Beschluss vom 14.09.2022 mit der Begründung zurück, der Streitwert der Nebenintervention stimme hier mit demjenigen der Hauptsache überein, da die Nebenintervenienten im gleichen Umfang an dem Prozess beteiligt seien. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers wies das OLG durch Beschluss vom 07.12.2022 zurück.
Mit Beschluss vom 14.06.2022 erließ das Landgericht für den gesamten Rechtsstreit die Kostengrundentscheidung, wonach der Kläger gemäß § 269 Abs. 3 ZPO die Kosten, auch der Nebeninterventionen, zu tragen habe. Den Streitwert setzte es - in Übereinstimmung mit dem ursprünglich eingeklagten Betrag, also demjenigen des Ausgangsverfahrens, - auf EUR 7.357,78 fest.
Sowohl die Beklagte, wie auch die in den Beschwerdeverfahren beteiligten Streithelfer machten mit ihren Kostenfestsetzungsgesuchen jeweils eine zweite Verfahrensgebühr geltend: Zur Begründung berufen sie sich dabei auf § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG, da das Verfahren zwischen Erlass des Musterentscheides und der Fortsetzung nach Zurückweisung durch den BGH (deutlich) länger als zwei Jahre ausgesetzt gewesen se...